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Kultur: Große Oper aus der Wanne

Klaus Büstrin

Stand:

Mehrmals sollte das Hans Otto Theater ein neues Haus erhalten. Aber immer wieder wurde ein Neubau verschoben, kurz nach der Wende der Rohbau des Theaters sogar abgerissen. Am 22. September 2006 ist es soweit: In der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang im neuen Haus öffnen. In unserer Serie wollen wir in persönlich gehaltenen Artikeln an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben.

HEUTE: das Theaterorchester

In dem Augenblick, als am 11. Juni 2000 Dmitri Schostakowitschs komprimiert expressive und spannungsgeladene 5. Sinfonie unter der Leitung von Victor Puhl im Theaterhaus Am Alten Markt verklang, gehörte der Klangkörper, die Brandenburgische Philharmonie Potsdam, zur Geschichte der Landeshauptstadt. Das städtische Orchester musste verstummen, weil die Stadt- und die Landespolitik es so wollte. Schmerzreich war dieser unfreiwillige Abschied für Musiker und für das Publikum. Bis 1994, dem Jahr als die Philharmonie GmbH wurde, war das Orchester fest am Hans Otto Theater verankert gewesen.

Als erstes städtisches Theaterorchester gründete man es 1947. 21 Musiker saßen im Orchestergraben des Schlosstheaters im Neuen Palais, 36 waren es, als man in die ehemalige Gaststätte „Zum Alten Fritz“ in der Zimmerstraße umzog. Gemeinsam mit dem 23 Mitglieder starken Orchester des Tournee Ensembles konnten Sinfoniekonzerte und das große Opernrepertoire aufgebaut werden. Walter Raatzke, Georg Vack und Ernst Sachsenberg waren die ersten Chefdirigenten des Orchesters.

In der viel zu kleinen und engen Orchesterwanne saßen nun die Musiker und spielten Oper und Operette. Es war von der Theaterleitung recht verwegen, dass sie Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ oder „Arabella“ von Richard Strauss auf den Spielplan setzte. Eigentlich hätte man dabei die Musiker „stapeln“ müssen, um sie alle in die Wanne zu zwängen, damit man einigermaßen den Anforderungen der Orchesterpartitur gerecht werden konnte. Glücklicherweise waren dies aber nur Ausnahmen. Auch auf der Bühne mussten sich die Instrumentalisten bei Konzerten drängen. Dazu kam die unbefriedigende Akustik. Und dennoch spielte das Orchester zumeist hochmotiviert, in der Hoffnung, bald komme ein neues Theater und ein Konzertsaal.

Die Klangkultur stieg mit dem Engagement der Dirigenten Gert Bahner, Günther Herbig oder Peter Gülke. Große Oper und höchst anspruchsvolle Konzerte mit Werken der Klassik, Romantik und der Moderne konnten zumeist in hoher Qualität aufgeführt werden. Doch die Musiker waren dankbar, wenn sie das Haus in der Zimmerstraße verlassen konnten, um in festlichen Räumen zu musizieren, in der Bildergalerie (oftmals mit Potsdamer Chören) und im Schlosstheater, beispielsweise beim international anerkannten Mozart-Zyklus. Berühmte Solisten wurden eingeladen. Und auch aus seinen eigenen Reihen stellte das Theaterorchester immer wieder hervorragende Solisten.

Obwohl beim großen Publikum die Musik des 20. Jahrhunderts nicht sehr beliebt war, weil sie oftmals die eingefahrenen Hörgewohnheiten der Besucher nicht befriedigte, hat das Theaterorchester fast immer zeitgenössische Konzerte aufgeführt (manchmal auch auf Anweisung der SED). Man konnte ein reichhaltiges Kaleidoskop neuer Musik, besonders von Komponisten aus Potsdam, der DDR und osteuropäischen Ländern kennen lernen. Und hin und wieder wurde man als Zuhörer bereichert.

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