Kultur: Großer Fang
Marion Poschmann gewinnt den „Kleinen Hei“
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„Die Sonne bröckelt“, heißt es bei Marion Poschmann, und das ist nicht metaphorisch gemeint. Denn vom Lüster an der Decke des Speisesaals rieselt der Stuck, einmal fiel einem Patienten ein Stückchen Gips in die Suppe. Wer aus dem Westen kommt wie der Erzähler, der mag von der Romantik schwärmen, weil die „ dort ja fast gänzlich getilgt ist“.
Um Ostromantik geht es aber nicht so sehr in Marion Poschmanns jüngstem Roman „Die Sonnenposition“. Eher ist er eine Erzählung über Deutschland aus der Sicht der Kriegsenkel. Ein Roman über fragile Identitäten, den schönen Schein und die Suche nach dem inneren Licht.
Poschmanns „Sonnenposition“ stand neben Clemens Meyers „Im Stein“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2013. Beide haben den Preis nicht bekommen, aber Marion Poschmann wird jetzt trotzdem ausgezeichnet – und zwar in Potsdam. „Der Kleine Hei“ soll für die Autorin kein Trostpreis sein, „es ist ein kleiner, aber feiner Preis in einer anderen Gewichtsklasse, in der mit feinem Auge und gewitzt geboxt wird“, sagt Carsten Wist vom Literaturladen, der den Preis seit mittlerweile elf Jahren vergibt. Unter den Gewinnern waren schon Juli Zeh und die Potsdamer Autorin Julia Schoch, die 2009 für ihr Buch „Mit der Geschwindigkeit des Sommers“ ausgezeichnet wurde.
Poschmanns Held ist der rundliche Rheinländer Altfried Janich, der nach der Wende eine Stelle in dieser bröckelnden Heil- und Pflegeanstalt bekommen hat, einem heruntergekommenen Barockbau, irgendwo in den neuen Bundesländern.
Er interessiert sich vor allem für das Abwesende, das Verschüttete – kein Wunder, schließlich ist er Psychiater und wühlt den ganzen Tag in den Erinnerungen der Insassen. Ihnen gegenüber will er die Sonnenposition einnehmen, er will seinen Patienten Orientierung geben, Trost spenden. Doch dann stirbt sein Freund Odilo bei einem rätselhaften Autounfall – und Altfried Janich gerät selbst auf die dunkle Seite des Lebens. Tagsüber rücken ihm die Patienten auf die Pelle, nachts geistert er selbst durch die Säle, ihn bedrängen seine Erinnerungen, und auch seine Familiengeschichte mit ihren Verlusten holt ihn ein. Altfrieds ganzes bisheriges Leben scheint ihm plötzlich auf sein Dasein hier im Schloss zuzulaufen: Alle Geschichten enden hier, und bald stellt sich die Gewissheit ein, dass er aus dem Schloss nicht mehr wegkommen wird. Seine Sonnenposition, die er seinen Patienten gegenüber einnehmen will, beginnt zu bröckeln. alm
Marion Poschmann liest anlässlich der Preisverleihung am Montag, dem 2. Dezember, um 20 Uhr im Literaturladen Wist
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