Kultur: Guántanamera summend durch die Nacht Die Fiesta Cubana
im Nikolaisaal
Stand:
im Nikolaisaal „Auf Castros Insel ist das Alter sexy“, schrieb die Presse nach Auftritten der alten Herren aus Kubas Musikszene. Während ältere Menschen hier zu Lande oft genug mit einem „Seniorenteller“ abgespeist werden, strahlen sie dort Leben, Würde, Weisheit und Musik aus. Nicht ohne Grund hält der Erfolg der kubanischen Musik auch über zehn Jahre nach dem „Buena Vista Social Club“ noch an. Beim Konzert des Festival Son Cuba stimmte die Mischung aus Tradition und Moderne, Lied und Tanz – und riss das altersmäßig sehr gemischte Publikum im fast ausverkauften Nikolaisaal aus den Sitzen. Endlich einmal wurde im Nikolaissaal getanzt – zunächst zaghaft, doch beim großen Finale gab es nur noch wenige, denen die karibischen Rhythmen nicht in die Hüften und Beine fuhren. Ungebrochen ist der mitreißende Schwung dieser Musik und „Guantanamera“ eine bleibende Hymne. Auch die Karriere dieses Lieds aus dem bäuerlichen Landstrich Guantánamo – seit 1901 Standort der ältesten Marinebasis der USA – im kubanischen Südwesten ist noch lange nicht zu Ende, wenn auch der Textverfasser José Martí schon 1895 gestorben ist. Natürlich schlägt die Musik beim Festival de Son Cubano keine politischen Töne an. Doch beinah mehr noch als die Politik bestimmt die Liebe die kubanische Musik – zumindest bei den Auftritten der Fiesta Cubana. Ebenso wie die Musik kennt die Liebe keine Worte, vielleicht passen sie deshalb so gut zusammen. In bester spanisch-maurischer Lyriktradition werden alle Spielarten der Liebe besungen, beschworen und gepriesen. Spaßige Neckverse und existenzielle Krisenpoesie wechseln dabei wirkungsvoll ab. Getreu dem Vorhaben die Vielfalt der kubanischen Musik vorzustellen, eröffnet die Pianistin Lázara „Cachao“ Lopez den Abend. Sie improvisiert zu traditionellen Stücken über synkopierten Bassriffs, locker und souverän. Dass Carlos Manuel Céspedes als neuer Meister der Trova gilt, bleibt nach seinem Auftritt ohne Zweifel. So sehr erinnert seine Stimme und sein Gesang an die legendären Altmeister des schlichten, gitarrebegleiteten Liedes. Als Solist oder in Begleitung von Kontrabass und Roland Jorrín am Trés, der kubanischen Gitarrenform, überzeugt der junge Sänger gleichermaßen. Wenn dann noch das charismatische Saxophonspiel von Don Julio dazukommt, ist der kubanische Furor perfekt. Von anderem Kaliber zeigen sich die vier Herren vom Saxophon Magic Quartet – vier ehemalige Spieler aus dem Nachtclub Tropicana, die mit kubanischen Standards lässigen Ulk treiben. Wenn nur nicht die weißen Hüte der vier flotten Trötenspieler gewesen wären! Bewegt bekannte der Obersaxophonist, dass er wohl noch nie in einem so großen Saal wie diesem in Deutschland gespielt habe und widmete den Damen im Publikum einen Liebesbolero . Worauf ein Zuhörer rief: „Alles klar!“, was wohl nicht als machistischer Vorwurf gemeint war, sondern ein Kommentar zu seinen langen Reden auf Spanisch. Als sechs alte Herren zwischen, circa 65 bis 80 Jahre, in Dinnerjackets die Bühne betraten, begleitet von einer beweglichen Sängerin in weiß-wallendem Gewand kletterte die Stimmung auf den Siedepunkt. Die Altmeister der „Trova Camagüeyana“ musizierten mit Trés, Congas, Maracas und auf einer Querflöte aus Holz überaus virtuos. Grandios auch das Solo von Pablo Verona, der eindrucksvoll den Bolero „Noche de Ronda“ sang. Nach drei Stunden bester Unterhaltung verließ das Publikum mit Guántanamera im Ohr den Saal. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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