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Kultur: Gut gemenscht!
Premiere im Kabarett Obelisk: „Gutmensch ärgere Dich nicht“ von Ranz & May
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Eigentlich ist ein „Gutmensch“ jemand, der es gut meint, aber schlecht ausrichtet, ein Dödel also. Oder ein politisch besonders korrekter. Es gibt aber auch Schlechtmenschen, die das Wort „Gutmensch“ gar nicht so meinen, wie es gemeint sein will. Zu ihnen zählt die Gilde der Satiriker, die mal zum Kabarett, mal zum Ulk und zur Comedy neigen. Sie nehmen den Gutmenschen als solchen einfach nicht so ernst, wie etwa Wikipedia es tut.
Die Firma „Ranz & May“ hat es sogar gewagt, das Unwort des Jahres 2029 mit leicht satirischem Ritterschlag in den Rang eines Titelträgers zu erheben, weiß Gott warum. Es heißt „Gutmensch, ärgere Dich nicht“ und weckte bei seiner Premiere am Wochenende die stürmischsten, ja fast schon revolutionärsten Erwartungen. Doch ach, wo war er denn nun, der besagte Gutmensch, eine Erfindung der braven „Anti-68er“-Feuilletonisten um 1990? Stand er in Gestalt von Michael Ranz monologisierend, dialogisierend und singend auf der Bühne, spielte er vielleicht E-Piano wie sein Kompagnon Edgar May, oder wollte man diese ruhmlose Rolle dem Publikum im „Obelisk“ in die Schuhe schieben?
Wie auch immer, nach mehr als zwei langgestreckten Stunden kam, wie eh un je, mit dem schönen Lied von Uuschii und dem Suutchii, die totalitär-obligatorische „oben-unten“-Versöhnung – da aber hätte sich der gesuchte „Gutmensch“ ohnehin schon lange verdrückt.
Vielleicht war er ja auch gar nicht da, warum sollte man sich da nun ärgern? Oder nur als Titel-Phantom, denn was es mit dem Burschen auf sich hatte, wurde ja weder verbal noch dramaturgisch richtig geklärt. Dafür hatte man es mit gut gereimten und ebenso vorgetragenen Texten der beiden Protagonisten – beide im blauen Nadelstreifenanzug – zu tun, denen sich Autoren-Namen wie Saalfeld, Weismann und Hansen leichtsinnig anschlossen.
Worum ging es nun im abendfüllenden Spaß- und Ernstprogramm, was wurde da gehändelt und gewürfelt, wer wurde rausgeworfen und musste noch mal ganz von vorn anfangen? Genau genommen ging es nicht um alles, aber um nichts ging es auch nicht. Irgendwo dazwischen. Zum Beispiel um den Begriff „Heimat“, bereits in der Steinzeit und also angeblich zeitgleich mit dem Kabarett entstanden. Um das Chatten und um anhaltiner Sachsen. Um einen altgewordenen 68er, der die Nase voll hat vom Veganertum, Roibusch-Teebeuteln und all dem ganzen altruistischen Kram – der Bursche ist so empfindlich geworden, dass er den Tag nur noch mit „Fremdschamblocker“-Pillen aushalten kann, wie Ranz es im Selbstversuch demonstrierte. Bei „Zuschauerschwund im Kabarett“ vergaßen die beiden Spaßvögel zu erwähnen, dass niemand anderes als die Kabarettisten selbst daran schuld sind, dass ihre Bude nicht mehr voll wird.
Ihr zunehmend unbeschwertes Hasenherz hat doch Intelligenz und Lachen erst zu Todfeinden gemacht! Wundert man sich da etwa noch, wo der gute Mensch herkommt? Aus der Steinzeit bestimmt nicht. Der Rat von Ranz & May letztlich, Haustiere daheim zu schlachten, damit man wisse, woher Steak und Würste kämen, warf als Untertext sofort die Frage auf, wo denn nun der Intelligenzschwund wohne, auf der Bühne oder im Saal: Wurst kommt doch immer vom Supermarkt! Neben Reprisen zur Homo-Nummer und zu Opas Pokerface gab es auch noch Großstadt-Flair und Kleinstadt-Mief, Potsdam oder Berlin. Man naschte hier, man naschte da, aber satt wurde davon keiner, höchstens ein Hausfrauenlachen.
Einmal freilich ging es scheinbar und wirklich zur Sache, als die Sprache auf die Großeltern aus Ostpreußen kam, auf Reizworte wie „Revanchismus“ und so weiter. Hörte man richtig, dass solche Themen im deutschen Kabarett ob allgemeiner „correctness“ und Selbstzensur konsens- und tabupflichtig außen vor gelassen werden? Dann müsste man sich über manch unverbindliches Kabarett-Programm nicht mehr wundern. Aber wahrscheinlich hatte man sich doch nur wieder verhört – und mal ehrlich, der Witz über den deutschen und den italienischen Geschäftsmann war ja auch nicht so schlecht!
Die Frage, ob ein echter Gutmensch nun politisch sei oder nicht, blieb im Lachraum hängen. Irgendwo. Nichts mit Kaspern und Merkeln und Co. Niemand wurde rausgeworfen, keiner geärgert, gar nichts tat weh. Wahrscheinlich lag das nicht allein an ihrem „Profil“. Ranz & May eilt ja der Ruf voraus, „Pius-Brüder“ zu sein, wobei das lateinische Wort für sanft und milde steht, aber auch für pflichtgemäß, rechtschaffen und gottesfürchtig. In diesem Sinne also: Gut gemenscht, die Herren vom Fach, doch wurde da auch recht gewürfelt? Ein Weltuntergang ohne Dummdeutsch ist kein Weltuntergang, und ein Guter ohne Schlechtmensch ist höchstens ein Dödel – was zu beweisen war. Also Mensch, ärgere Dich nicht!
Gerold Paul
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