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Kultur: Gute Laune

Pink Martini im ausverkauften Nikolaisaal

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Sie hat nicht ihre Natürlichkeit, aber sie besitzt trotzdem ausreichend Stimm- und Strahlkraft, gepaart mit einer ordentlichen Portion Sexappeal, die das Publikum soweit überzeugen, dass es bereits von der ersten Minute an tobt und am Ende gar mit der Intensität eines brasilianischen Karnevals tanzt und klatscht. Stormy Large, die momentane Stimme der amerikanischen Band Pink Martini, eine blonde Ausgabe von China Large, der eigentlichen Leadsängerin, die aber aufgrund einer Operation an den Stimmbändern nicht mit auf Tour gehen konnte, erschien am Sonntag im bodenlangen, grüne Kleid auf der Bühne des ausverkauften Nikolaisaals.

Umgeben ist sie von einer vielköpfigen Formation, die über Cello, Kontrabass, Piano, Gitarre und Schlagzeug bis hin zu Bläsern, Trommeln und anderen Percussioninstrumenten klanglich alles abdeckt. Bandleader Thomas Lauderdale, ein kleiner, unglaublich agiler Unterhaltungskünstler, dessen Klavierspiel nicht nur seine Finger, sondern seinen gesamten Körper in Anspruch nimmt, hat seine Musiker fest im Griff. Viel Bossa, Swing und Jazz ist zu hören, aber auch rumänische, kroatische, ja russische Volkslieder finden ihren Platz im Programm. Sängerin Stormy Large und ihr männliches Pendant, der Japaner Timothy Nisahimoto – auch „Katharina Valente von Japan“ genannt – scheinen unglaublich sprachgewandt. Sie schwingen die Hüften, flirten mit dem Mikrophon, stacheln das Publikum immer wieder zum Klatschen auf.

Als für zwei der Stücke, die unter anderem aus Schubert-Melodien arrangiert sind – der Rest ist ein Mix aus „Hit the Road, Jack“ und „I will survive“ – eine zweite Pianistin gesucht wird, findet sich tatsächlich eine im Publikum. Der Applaus, den sie bekommt, ist unbeschreiblich und motiviert später zwei türkischstämmige Gäste, ebenfalls auf die Bühne zu kommen, um für ein anatolisches Volkslied den Backroundtanz zu liefern. Memet, der mitsingt, aber, nicht ganz textsicher über das I-Phone spickt, wird charmant von Stormy Large abgekanzelt und frech mit ein paar Po-Kicks auf der Bühne herumgeschubst.

Leider ist der Ritt durchs Programm an mancher Stelle doch ein wenig zu rasant. Fühlt man gerade noch den schweren, melancholischen Momenten der Liebeserklärung an die Moldau nach, beginnt schon wieder dieser stetige Gute-Laune-Backround, der fast das gesamte Konzert durchzieht. Seltene Momente wie der parodistische Nachtclubsong „I’m tired“, nur mit Stimme und Piano interpretiert, bleiben die Ausnahme. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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