Kultur: Habt Ihr schon mal einen Garten gedüngt?
Vergnüglich im Foerster-Rund: Im Garten gelesen
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Vergnüglich im Foerster-Rund: Im Garten gelesen Sie ist ausdrücklich weiblichen Geschlechtes, sehr füllig, hat eine markant tiefe Stimme, eher selten zu hören. Man könnte sie mit dem lateinischen Wort „Virago“ bezeichnen, Mannweib. Dieses seltsame Instrument kam am Wochenende im Garten von Marianne Foerster bei einem Programm zum Einsatz, welches so neu nicht mehr ist und das trotzdem noch glänzt, wie Tau auf den Blumen des Sommers. Sabine Scholze und Hans-Jochen Röhrig führten voller Humor und Beseelung durch Karl Capeks „Jahr des Gärtners“, ein elegantes, höchst vergnügliches Buch des 1938 verstorbenen Tschechen, aus dem sich noch immer viel Nutzen ziehen lässt. Für die URANIA als Veranstalter der höchst beliebten Reihe „Im Garten vorgelesen“ zudem ein historischer Ort, denn hier lebte mit Wilhelm Foerster (bis 1921) ein Gründer dieser Gesellschaft. Christina Struzyk gab mit wenig Bach und viel Improvisationsgeist die Musica dazu, auf der fülligen Tuba eben, doch als die HOT-Schauspieler vom Gießen des Capek“schen Gartens lasen, griff sie einen Gartenschlauch, welchem sie, mit oder ohne Trichter, Erquickliches und Erquieckliches abzuringen verstand. Die fast einhundert Gäste wussten es, nota bene, mit Schmunzeln und Wonne zu hören. Gelesen wurde im sonst privaten Teil der mehrere tausend Quadratmeter großen Anlage, die kein Familienmitglied je allein bewirtschaften konnte (so hörte man nebenher); unter Schwarzkiefer, Lärche, Douglasie, im schönsten Abendsonnenschein. Nach der Erfahrung des Autors ist nicht zwingend ein Gärtner, wer verzückt an seinen Blumen schnuppert, krautet und zupft. Ein Gärtner ist zuerst ein Arbeiter und Pfleger der Erde, welche er unermüdlich mit Knochenmehl, Holzkohle, Stallmist verbessert, im Januar aufbricht und im trockenen Juli vergeblich bewässert, indes er stolz Kanne und Kanne zählt. So einer würde gar dem Herrgott in Eden eine Fuhre paradiesischen Bodens abzuluchsen versuchen. Stets im Bücken begriffen, das Hinterteil nach oben gereckt, könne er doch kaum größer als einen Meter sein, verwundert sich Capek. Er kennt alle Tricks, und lobt den dampfenden Mist, daraus alle Blüten Aromen gebären: „Habt Ihr schon mal einen Garten gedüngt?“ Kein Thema im „Jahr des Gärtners“ wurde ausgelassen, nicht die Eisblumen-Zucht an zugigem Fenster im klirrenden Jänner, die Zeit der springenden Knospen und keimender Samen, die oft so vergebliche Arbeit beim Anlegen eines „Billard-Rasens“, darin Löwenzahn und Klee nur stören. Des Gärtners Wonnemond ist der April, die Zeit seiner Muße August, wo er sich schwer überwindet, doch in die Ferien zu fahren, um dem hilfsbereiten Nachbarn dann tägliche Briefe zu schreiben, was der Aushelfer noch alles in seinem Hortus zu tun habe. Kein Wunder, wenn in der Pause von den 40 bereitgestellten Büchern fast alle verkauft worden sind. Man erging sich im blühenden Senkgarten, wo Phlox und Verbena leuchten, Heliopsis und Atriplex, Nicotiana mit Tuten wie bei der Tuba, nur hängend, und der azurne Acanthus als Gast aus der Fremde. Karl Foersters Rittersporn nicht zu vergessen, beim Finale in verschiedener Züchtung ein hübsches Geschenk an die Künstler. „Merkt Ihr denn nicht, dass es kein Ermüden gibt?“, fragt Capek im Herbst, wo der Gärtner aus Leidenschaft Reifendes sieht, das höhere Maß als beim Frühling. „Es gibt keinen Tod, nicht Schlaf, nur Wachsen von einem Zustand in den anderen hinein. Wir müssen Geduld haben, denn das Leben ist ewig“. Und die Tuba tubte gar zierlich dazu. Gerold Paul
Gerold Paul
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