Von Dirk Becker: Hamburg, schau auf diese Stadt!
Zehn Jahre Nikolaisaal – eine Erfolgsgeschichte, die wohl auch in der neuen Spielzeit fortgesetzt wird
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Auch wenn es ein vermessen klingen mag, aber Hamburg sollte ruhig mal nach Potsdam schauen. Hier auf den Nikolaisaal, denn von dem lässt sich vieles lernen.
In Hamburg haben sie ja gerade großes Richtfest gefeiert. Die kolossale Elbphilharmonie. Über 100 Meter hoch und 500 Millionen Euro teuer – nach derzeitiger Kostenprognose – soll dieser in Beton gegossene hanseatische Größenwahn einmal werden. Eigentlich wollten die Hamburger schon in diesem Jahr die ersten Konzerte in ihrem neuen Konzerthaus geben. Doch die Posse um den Bau der Elbphilharmonie hat in den vergangenen Jahren immer wildere Kapriolen geschlagen. Fast möchte man lachen, wenn es nicht so haarsträubend wäre. Die ersten Konzerte – nach derzeitiger Planung – sind für den Herbst 2013 geplant. Doch schon jetzt sind besorgte Stimmen zu hören, die fragen, wie die Elbphilharmonie nach den ersten Jahren der Neugier nach dem architektonischen Wunderding mit den entsprechenden Publikumszahlen aufwarten kann. Also, Hamburg! Schau einfach mal kurz auf diese Stadt.
Hier hat vor zehn Jahren der neue Nikolaisaal eröffnet. Alles etwas kleiner und nicht so spektakulär wie die zukünftige Elbphilharmonie. Die Phase der Neugier nach dem neuen Haus ist schon lange vorbei, aber, um es mal lax auszudrücken, der Laden läuft.
Genau 100 302 Besucher hatte der Nikolaisaal im vergangenen Jahr. Ein Rekord. Die Auslastung der insgesamt 244 Veranstaltungen lag bei knapp 91 Prozent, wie Andrea Palent, Geschäftsführerin und Künstlerische Leiterin im Nikolaisaal, am gestrigen Dienstag bei der Jahrespressekonferenz zur Vorstellung des Konzertprogramms für die Saison 2010/11, sagte. In den vergangenen zehn Jahren sind über 5000 Veranstaltungen mit insgesamt über 800 000 Besuchern von der Nikolaisaal gGmbH veranstaltet worden. Organisiert von einem Team, das derzeit 12 Mitarbeiter umfasst. Wer jetzt durch das druckfrische Programmheft für die kommende Saison blättert, ahnt schon, dass das Nikolaisaal-Team auch 2010/11 mit einem vollen Haus rechnen kann.
Eröffnet wird die neue Spielzeit am Freitag, 27. August, mit einer „Love-Story“ im Saal, lesend präsentiert von Mirja und Sky du Mont, musikalisch umrahmt vom Deutschen Filmorchester Babelsberg. Auf der Wilhelm-Staab-Straße wird dann ein „Geburtstags-Rosenfest“ gefeiert. Am Samstag, 28. August, eröffnet dann das Hausorchester des Nikolaisaals, die Kammerakademie Potsdam, die ebenfalls am gestrigen Dienstag das Programm für die kommende Spielzeit vorstellte, mit einem Konzert die 10. Saison. Stargäste sind die Dirigentin Alondra de la Parra, die erst am vergangenen Wochenende ein glänzendes Deutschlanddebüt mit der Kammerakademie in Potsdam gab und der Oboist Albrecht Mayer.
Und dann geht es wieder Schlag auf Schlag mit bewährten Sinfoniekonzerten, den Crossover Konzerten, den Feiertagskonzerten, der Kammermusik im Foyer, der Reihe „The Voice in Concert und, und, und. Es werden erwartet: Der Flötist Emmanuel Pahud, die Gitarristin Sharon Isbin, die Sopranistin Gemma Bertagnolli, das Motion Trio, der Pianist David Fray, die Sängerin Marla Glen, der Flamencotänzer Rafael Amargo, der Bratschist Nils Mönkemeyer und, und, und. Wie jedes Jahr beim Blättern durch das Programmheft stellt sich auch jetzt wieder schnell die traurige Gewissheit ein, dass man nicht alles sehen und hören können wird.
Doch bei all den positiven Nachrichten, zu denen auch das stetig wachsende Interesse an den Angeboten für Kinder und Jugendliche vor allem durch die Musiker der Kammerakademie gehört, nutzte Andrea Palent die Pressekonferenz auch für den Hinweis, dass das Land noch immer nicht bereit sei, für die Kosten von Tarifsteigerungen aufzukommen. Hier plage sich der Nikolaisaal mit einem Fehlbetrag von knapp 40 000 Euro. Potsdams Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) sagte, dass es positive Signale aus dem brandenburgischen Kulturministerium gäbe. Trotzdem, so Magdowski, die Grenze des Zumutbaren in Sachen finanzieller Einschränkungen und Sparmaßnahmen für den Nikolaisaal sei erreicht. Es wird sich zeigen, ob hier auf Worte auch Taten folgen.
Die neuen Programmhefte vom Nikolaissaal und der Kammerakademie liegen in der Ticket-Galerie des Nikolaisaals, Wilhelm-Staab-Straße 10/11 aus. Weitere Informationen unter www.nikolaisaal.de
Dirk Becker
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