Kultur: Händel in der Platte
Neue Konzertreihe im Bürgerhaus am Schlaatz will mit alter Musik Schranken überwinden
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Hemmschwellen, die zu überschreiten schwierig sind? Mitnichten, denn es gab keine. Weder direkt noch im übertragenen Sinne. Neugierde und Aufnahmebereitschaft brachten jene vierzig Musikliebhaber von Alter Musik mit, die am Donnerstag zum Start der neuen Konzertreihe „Harmonia mundi – Musica coelestis“ (Harmonie der Welt – Musik des Himmels) den Bürgerhaus-Saal im Schlaatzer Plattenviertel gefüllt hatten. Genauer gesagt: sie waren zum Einführungsvortrag mit anschließender „Generalprobe“ eines Programms mit Triosonaten von Georg Friedrich Händel erschienen, die tags darauf im „richtigen“ Konzert in der Friedenskirche mit anschließendem „late night talk“ (geht’s nicht in Deutsch?) erklangen.
Zunächst plauderte Violinist Wolfgang Hasleder, Spiritus rector des Ensembles „die kleine cammermusic“ und Initiator dieser Konzertreihe Alter Musik in Potsdam, ein wenig aus dem Nähkästchen. Erst im „fortgeschrittenen Alter“ habe er sich zur alten Musik hingezogen gefühlt, endgültig den Orchesterdienst quittiert. Als er sich während seiner Magdeburger Jahre intensiv mit Georg Philipp Telemann beschäftigte, sei „der Knoten geplatzt“. So nachhaltig, dass er das Alte zum Neuen in seinem künstlerischen Leben erkoren habe. Im Gegensatz zu Schumann und anderen Romantikern, deren ewiges Streben nach Selbstfindung und Erlösung ihn auf Dauer unbefriedigt ließ, fand er in Telemann einen Tonsetzer, „der wenig mit sich selbst beschäftig war und das Komponieren wie ein Zoobesucher betrieb, der Tiere gucken ging, sich an der Buntheit der Natur erfreute.“
Der Bogen zu Händel war geschlagen. Wieso sich mit ihm, über den stressigen Gedenkjubelanlass seines 200. Todestages hinaus, überhaupt beschäftigen? Warum ihn gerade in den Triosonaten entdecken und bewundern? Anhand ihrer, so Hasleder, ließen sich wichtige Teile seiner Vita und künstlerischen Entwicklung belegen. Was er denn auch tat, wobei das Biografische die Oberhand gewann. Die danach erklingende Musik machte jedoch wieder wett, was zuvor ausufernd beredet worden war. Beispielsweise, dass die g-Moll-Sonate des 14-Jährigen bereits über einen ausgeprägten Personalstil verfüge, keine kleingliedrige Musik enthalte, sondern auf eine spannungsreiche Entwicklung baue. Auch sei bereits ein schmerzlicher und lyrischer Grundton vorhanden, wie er für die späteren langsamen Instrumentalsätze des Meisters typisch werden sollte. Gesagt, begeistert angehört.
Dabei gaben sich Wolfgang Hasleder und Geigenpartnerin Rahel Mai, zuständig für die gleichwertigen Oberstimmen, einem ausdrucksintensiven Frage- und Antwortspiel hin. Unterstützung erfuhren sie durch Cellistin Kathrin Sutor und Cembalistin Sabine Erdmann, die das Continuo nach allen barocken Spielregeln beherrschten: differenziert, fantasievoll, farben- und verzierungsreich. Vom 20-Jährigen erklangen zwei Werke, in denen die Leidenschaften auf höherem, lebenserfahrenerem Niveau kochten. Allenthalben gab es Virtuosität und rauschende Lebendigkeit im klaren, sauber intonierten Darmsaitenspiel zu hören, stellte man das Kontrastreiche der Musik deutlich heraus, sang ein beschwingtes Lied von den irdischen Lebensgenüssen. Wie auch in der g-Moll-Sonate des 52-Jährigen, in der er per Parodieverfahren frühere Werke zweitverwertete. Trotzdem hörte sich’s wie aus einem Guss an.
Die Künstler wurden reichlich bedankt. Ein gelungener, erfolgversprechender Start in plattenbaugeprägtes Neuland.Peter Buske
Peter Buske
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