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Kultur: Harmonische Sollzustände, widerborstige Ist-Bilanzen

„intersonanzen“ wurden bei „Stunde der Musik“ eröffnet

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„intersonanzen“ wurden bei „Stunde der Musik“ eröffnet Der kompositorischen Handschriften im Reich der zeitgenössischen Tonsetzer gäbe es viele und jedes Stück sei nur aus sich selbst erfahrbar. Was längst zu Binsenweisheiten gehört, erhebt der Klangkünstler und Tondokumentarist Dr. Michael Schenk bei der Eröffnung des brandenburgischen Festes der neuen Musik „intersonanzen“ gleichsam in den Rang neuer Erkenntnisse. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als dienten diese Bemerkungen der Entschuldigung vor sich selbst. Bereits zum vierten Mal veranstaltet, erlebt das klein-feine Avantgardefestival seinen Auftakt erstmals im Rahmen einer „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals. Es ist nur spärlich besetzt. So unentschlossen das Neutönerfest thematisch „Zwischen Programm und Abstraktion“ sowie „Zwischen Ost und West“ pendelt, so zusammengewürfelt gibt sich das Angebot des Eröffnungskonzertes, das vom engagiert aufspielenden Persius Ensemble nebst Gästen bestritten wird. Hehren Ansprüchen will sich die uraufgeführte Novität für Nonett „gras – sterne – schatten“ von Uwe Krause (geb. 1969) stellen. Ätherische Höhenflüge der Streicher und Bläser suchen den harmonischen Sollzustand zu beschreiben. Für die Ist-Bilanz stehen Widerborstigkeiten ein. Sie gleichen ineinander geschachtelten Floskeln: von jedem etwas, nichts halbes und nichts ganzes. Strukturlos fasern und fließen sie in gleichmäßigen Metren dahin, um schließlich in Stille zu verklingen. Ein notennotierter Langweiler. Wie spannend und gedankenanregend hören sich dagegen lyrische Betrachtungen über die spirituelle Frage: Wann ist es wirklich aus?, die Sofia Gubaidullina (geb. 1931) ihrem Trio „Garten von Freuden und Traurigkeiten“ einkomponiert hat. Mit sentimentalen Sentenzen durchstreift die Flöte (Bettina Lange) den Lebensgarten, erfreut sich – unterstützt von rauschenden Arabesken der Harfe (Maria Smirnova) – am (Klang-)Farbenreichtum der „Beete“. Viel Meditation im Diskant hält die Viola (Christoph Starke) bereit, ergänzt von Jammereien und Geräuscharbeiten auf den Saiten. Sehr ausdrucksdirekt und bewegend gespielt, findet das Stück mit seinem fragilen Finale einen leisen und fragenden Ausklang. An jene gehaltvolle Seelenkost kommt das Stück „centauro marino“ für fünf Instrumente des Italieners Salvatore Sciarrino (geb. 1947) nicht heran. Gleitende, unbestimmte Tonhöhen von Streichern und Klarinette (Matthias Simm) beherrschen die Klangbühne, gefolgt von Schrillem. Allmählich gewinnt sich das Stück festere Strukturen. Wie sie entstehen, darüber denkt man nach. Über das, was sie bewirken, weniger. Alles kehrt wieder – auch die erst in diesem Jahr uraufgeführte Musik für neun Instrumente von Alex Nowitz (geb. 1968), nun allerdings in einer überarbeiteten Fassung. Dieses Stück kämpft nicht mit Stille oder deutet irgendetwas Floskelhaftes aus. In ihm geht es mit bajuwarischer Deftigkeit sofort zur spielfreudigen Sache. Ein Saubazi, dieser aus Niederbayern stammende und nun in Potsdam ansässige Komponist, der nicht davor zurückschreckt, eine melodische Linie zu erfinden und ihr Zeit zum Entfalten einräumt. Blas- und Schmatzgeräusche sind als witzige Zutaten dem vergnüglich anzuhörenden Nonett einkomponiert. Ergötzlich wird es gespielt. Peter Buske

Peter Buske

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