Kultur: „Harry liest, ich kommentiere“
Zusammen ergibt das am Samstag im Waschhaus einen faszinierenden Abend über komische Lyrik
Stand:
Kann man über anspruchsvolle Lyrik überhaupt lachen, Herr Maintz?
Ich finde: ja. Es wird zwar immer noch gesagt, in Deutschland gäbe es ein gestörtes Verhältnis zum Komischen. Komische Klassiker wie Ringelnatz, Morgenstern oder Busch stießen anfangs in der Tat auf Abwehr. In frühen Kritiken zu Morgenstern wurde ausdrücklich betont, seine Gedichte seien nicht als Literatur einzustufen. Inzwischen hat sich aber durch Autoren wie Gernhardt, Waechter und Bernstein von der sogenannten Neuen Fankfurter Schule viel verändert. Ihre Texte zeigen hohe formale Qualitäten und sind dabei ausgesprochen komisch.
Also schlossen sich Humor und Ernsthaftigkeit damals für die Gelehrten aus?
Ja, wenn früher ein Autor wie Wilhelm Busch in der Germanistik überhaupt vorkam, wurde hervorgehoben, dass er ja eigentlich ernsthaft sei, ein Gesellschaftskritiker und Pessimist, der seinen Schopenhauer gelesen habe. Seine Komik spielte dabei kaum eine Rolle; man versuchte, ihn für die ernste Literatur zu retten, indem man ihn zum Schopenhauerianer machte. Heute ist man da einfach schon viel weiter.
Warum diese Abwehr?
Das wurde früher noch strikt getrennt. Komik gehörte ins Witzblatt oder ins Kabarett, das war einfach nicht kunstwürdig. Da amüsiert man sich, das ist eine andere Haltung als die, die man in der ernsten und anspruchsvollen Literatur sucht.
Aber es gab ja schon weitaus früher humorvolle Lyrik.
Wer sucht, findet eine ganze Menge; in jüngerer Zeit gibt es dafür auch ein wachsendes Bewusstsein. So sind in den letzten Jahren mehrere Sammlungen mit komischer Lyrik erschienen; die beginnen oft schon im Barock. Selbst bei Lessing und anderen ernsten Autoren findet sich durchaus auch mal die Lust an der Komik.
Wann wurde aus dieser gelegentlichen Lust ein klares Bekenntnis zur Komik?
Ein Einschnitt kam mit Heinrich Heine, der in der Lyrik eine ganz andere Haltung etabliert hat: Seine Gedichte sind vielfach reflexiv, ironisch und komisch. Dann folgten Busch und andere, die sich daran orientiert haben. Da gibt es eine richtige Traditionslinie, die beispielsweise über Ringelnatz, Peter Hacks und Peter Rühmkorf zu Wiglaf Droste oder Thomas Gsella führt.
Am Samstag sind Sie zusammen mit Harry Rowohlt in Potsdam zu erleben und präsentieren komische Lyrik. Wie kamen Sie auf diese doch ungewöhnliche Idee?
Ich habe vor ein paar Jahren eine Anthologie mit komischer Lyrik herausgegeben, in der auch Harry Rowohlt vertreten ist. Dadurch hatten wir schon Kontakt. Später kam es dann in Hamburg zu diesem gemeinsamen Projekt: Harry liest, ich kommentiere. Oder, wie Harry es gerne beschreibt: „Ich – also Rowohlt – lese komische Gedichte, Christian Maintz erklärt den Leuten, warum sie gelacht haben.“
Klingt ja fast schon nach Proseminar.
Das ist durchaus auch eine Gratwanderung, weil wir da eine ganz strikte Aufgabenteilung haben. Harry ist der Deklamierer, das „Bühnentier“, wie er selbst sagt. Ich gebe mehr den Kommentator, den Erklärer. Ein aufgeschlossenes Publikum goutiert aber oft gerade diese Gegensätzlichkeit. Komik beruht ja meist auf Kontrasten, das kennen wir ja seit Laurel und Hardy. Harry sagt gerne, er sei die Pappnase, ich der weiße Clown. Außerdem bricht Harry den Seminarcharakter durch seine wunderbaren Anekdoten und Erzählungen immer wieder auf; und ich lese auch ab und zu ein eigenes Gedicht.
Wo steckt denn nun aber die Ernsthaftigkeit in einem Zweizeiler wie: „Lieber Gott, Du bist der Boss, Amen, Dein Rhinozeros“?
Gerade zu diesem Zweizeiler, „Gebet des Nashorns“, der von Harry Rowohlt stammt, wird es am Samstag eine längere „Exegese“ geben, die will ich nicht vorwegnehmen. Generell aber gilt: man sollte eben nicht hinter jedem komischen Gedicht eine „ernste Botschaft“ suchen – der Reiz liegt oft im Sprachspiel und in der Absurdität.
Das trifft wahrscheinlich auch auf dieses Gedicht zu: „Der Habicht fraß die Wanderratte, nachdem er sie geschändet hatte“. Das Spiel mit dem Tabubruch ist hier ja eindeutig. Warum lachen wir aber trotzdem?
Keine Theorie kann das hinreichend erklären. Bestimmte Grundmuster sind aber erkennbar: Das Spiel mit Kontrasten, das Unterlaufen von Erwartungen. Die überraschende Wendung zu Dingen, die normalerweise ungesagt bleiben, hier etwa zum Sexuellen. Der Nonsens hat hier durchaus auch seine philosophische Dimension.
Wissenschaft und Komik, wie Sie das zusammen mit Harry Rowohlt praktizieren, ist doch eigentlich ein totales Gegensatzpaar.
Ja, ich sage immer entschuldigend am Anfang unseres Programms, Komiktheorie hat den Nachteil, dass sie selbst meist nicht komisch ist. Als Autor komischer Lyrik kenne ich aber auch die andere Seite. Und unser Programm will vor allem natürlich unterhalten und keine reine Theorie bieten. Es lebt vor allem von dem begnadeten Rezitator Harry Rowohlt, der ein absolutes Gehör für Sprache hat und die Gedichte, die er liest, wirklich lebendig macht.
Aber nicht alles, was komisch ist, worüber wir lachen, hat auch einen gewissen Anspruch. Wann wird Komik stumpf und platt?
Ziemlich oft, wobei das immer auch eine subjektive und schwierige Frage bleibt. Aber zwischen der komischen Lyrik beispielsweise eines Robert Gernhardt und dem, was heute etwa als Comedy im Fernsehen präsentiert wird, liegen denn doch Welten. Da dominieren Grobheit, Banalität und Erwartbarkeit. Aber ganz eindeutige Niveau-Grenzen sind immer schwer zu fixieren.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Komische Gedichte von Heinrich Heine bis Robert Gernhardt deklamiert von Harry Rowohlt, kommentiert von Christian Maintz am Samstag, dem 13. März, um 20 Uhr in der Waschhaus Arena, Schiffbauergasse. Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen für 14, an der Abendkasse für 17 Euro
Christian Maintz, geboren 1958, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg und Autor. Er hat unter anderem über Theater und Film, Woody Allen, die Neue Frankfurter Schule und komische Lyrik veröffentlicht und schreibt regelmäßig für die „Wahrheit“-Seite in der taz. 2002 und 2005 wurde ihm der Wilhelm-Busch-Preis verliehen.
Harry Rowohlt, geboren 1945, ist Schriftsteller, Kolumnist, Übersetzer, Rezitator und Schauspieler. Er hat unter anderen Frank McCourt, Flann O''Brien und A. A. Milne ins Deutsche übersetzt. Rowohlt ist auch bekannt durch seine Kolumne „Pooh’s corner – Meinungen und Deinungen eines Bären von geringem Verstand“ in der Wochenzeitung „Die Zeit“. kip
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: