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Kultur: „Hausmusik mit Freunden“

Pergolesis Stabat mater in der Marquardter Dorfkirche

Stand:

Pergolesis Stabat mater in der Marquardter Dorfkirche „Christi Mutter stand mit Schmerzen/ bei dem Kreuz und weint'' von Herzen/ als ihr lieber Sohn da hing...“. Dieses Grundmotiv eines jeden Stabat mater hat Komponisten aller Zeiten und Stile seit dem Mittelalter zu eindrucksvollen Kompositionen angeregt. Ein Franziskanermönch namens Jacopone da Todi soll die evangelistische Eingangs-Sequenz („stabat mater dolorosa“) 1307 aus der Vulgata zu einem eigenständigen Werk in lateinischen Terzinen fortgeschrieben haben, damit die Hörer Anteil nähmen am Geschick Marias, als sie ihren Sohn am Holze des Lebens beweinte. Man führte das Stabat mater im katholischen Gottesdienst Freitag vor Palm-Sonntag und am Fest der Sieben Schmerzen Mariä auf, wozu von Anfang an eine gregorianische Choralmelodie gehörte. Später nahmen sich Josquin Depres, Palestrina, di Lasso, Rossini, Verdi, Dvorak und andere Komponisten auf ihre Weise dieses Marienbekenntnisses an. Heute hat die Darstellung ihrer Leiden und Schmerzen unter dem Kreuz Christi längst den „protestantischen Sprachraum“ erobert, meist konzertant, gelegentlich auch mit liturgischem Ansatz, wie man es in der schön restaurierten Dorfkirche zu Marquardt eindrucksvoll erlebte. Sozusagen innerfamiliär hatten sich der Kontrabassist Norbert Wahren, seine Frau Birgit Barall und ihre Schwester Dorothee Barall zur Einstudierung des oft gespielten und gern gehörten „Stabat mater“ von Giovanni Battista Pergolesi (1710 - 1736) entschieden, mit welchem der neapolitanische Meister sein Lebenswerk beschloss. Ursprünglich für Sopran, Alt, Streichorchester und Orgel gedacht, vernahm man diese wunderbare Passions-Musik nach der Sterbestunde Christi ohne das Instrument der Instrumente, dafür konnte die in Marquardt wohnende Familie gute Freunde gewinnen, welche die begleitenden Parts mit viel Liebe zur Sache übernahmen: Die mit 140 Besuchern fast überfüllte Kirche erlebte Angelika Bunke und Juliane Rahloff an den Violinen, Käthe Kaye an der Viola, Johanna Barall führte das Violoncello, Norbert Wahren den Kontrabass, Kyrill Blashkov schließlich am Cembalo. Besonders sind die beiden Vokalistinnen zu loben, denn ohne professionelle Gesangsausbildung bewältigten Birgit Barall (Alt) und ihre Schwester Dorothee (Sopran) die lateinischen Solo-, besser noch die Duett-Parts des Frühverstorbenen ohne größere Mühe. Die Künstler selbst nannten ihr eintrittspflichtiges Konzert bescheiden „Hausmusik mit Freunden“. Ihm stellte Norbert Wahren „Solo Kadenza“ voran, ein dunkles Stück für einen Kontrabass, welches der Finne Teppo Hauta-Aho, 1976 in Helsinki komponierte. Nachdem Pfarrer Hans-Jürgen Viebeg eine kurze Perikope zum Kreuzestod Christi gegeben hatte, entfaltete die so intensive wie klangvoll-schöne Tondichtung ihre weiche und so kantable Melodik, was sich in der Intimität dieser eher kleinen Kirche dieses sehr gut anliess. Besonders die Altstimme entwickelte eine tonal plastische, mental ganz unmittelbare Beziehung zur schmerzensreichen Mütterlichkeit Mariens. Der Komponist gliederte seine Komposition, darin sich, außer den präferierenden Geigen, alle anderen Instrumente sehr zurückhaltend, indem er Zeilen oder ganze Strophen mal vom Alt, mal vom (gelegentlich etwas zu dünnen) Sopran singen und auch wiederholen lässt, oder eine Stimme fällt alternierend in die zweite ein, um dann ganze Absätze dem schönen Doppelgesange zu weihen. Den Schwestern Barall gelang dabei die emotionsstarke und ausdrucksvolle Interpretation eines „Stabat mater“, welches Pergolesi ganz im Sinne der gesuchten „Natürlichkeit“ Rousseaus komponierte. So empfand man das auch. Sehr schön „Quis est homo“, sehr innig „Fac me plagis“ mit zarten, filigranen Koloraturen. Vor allem darf man dieser „Hausmusik“ Geist nachsagen, Geist vom Geiste seines Stoffes, der Passion und Marien-Ehrung in einem ist, Konzert und Liturgie. Von den Vokalistinnen kam auch die Idee, nach dem Vortrag am Karfreitag Beifall nicht zuzulassen. Wer wollte, mochte sich einfach von seinem Platze erheben. So geschah es auch – in Stille! Gerold Paul

Gerold Paul

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