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Spielte in „Bella Martha“ selbst eine begnadete Köchin. Martina Gedeck wusste bei der Lesung im Nikolaisaal also, wovon sie sprach.

© Manfred Thomas

Kultur: Haute Cuisine

Martina Gedeck las Tania Blixens Erzählung „Babettes Fest“ im Nikolaisaal

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Die französische Küche hat eine seltsame Attraktivität. Schon bevor diese Faszination in Filmen wie „Ratatouille“ verwurstet wurde, in der eine Ratte die Wirkung französischer Gaumenfreuden auf die Psyche des Menschen untersucht – auf überaus liebenswerte Weise –, wurde das Thema künstlerisch beackert. Etwa in einer Erzählung der dänischen Schriftstellerin Tania Blixen: In „Babettes Fest“ kocht ein französisches Kindermädchen im tiefsten Norwegen ein Menü für ihren Gastgeber. Dessen Voreingenommenheit löst sich schließlich in ein derartiges Wohlgefallen auf, dass es noch lange nachhallt.

Am Samstag las Martina Gedeck, eigentlich die Grande Dame des deutschen Schauspiels, im Rahmen der Reihe „Stars International“ im fast ausverkauften Nikolaisaal die Erzählung Blixens, begleitet vom Brandenburgischen Staatsorchester aus der Oderstadt Frankfurt, das diesen Abend dazu nutzte, seinen 15. Geburtstag nachzufeiern. Streng genommen und hochoffiziell war der auf den 27. August gefallen – mitten in die Sommerpause also.

Trotzdem: Der Potsdamer Nikolaisaal ist dem Orchester ein zuverlässiger Partner. Seit seiner Gründung absolvierte es über 220 Konzerte hier in Potsdam. Dafür gab es später auch Blumen für die Musiker, die eigentlich vom Dirigenten Daniel Cohen geleitet werden sollten, der jedoch kurzfristig erkrankte. Das Dirigat übernahm daraufhin Jürgen Bruns – sicherlich kein schwacher Ersatz, und noch dazu etwas fürs Auge: Der in Ehren ergraute Maître gab eine Tanzeinlage, mit der er ganz gewiss der Held jedes handelsüblichen Disko-Dancefloors gewesen wäre.

Aber auch Martina Gedeck war mehr als hübsch anzusehen, in schwarz-roter Eleganz gewandet nahm sie mit ihrer warmen Stimme die Bedächtigkeit auf, die das Staatsorchester mit dem Opener „Idylle de Printemps“ von Frederick Delius vorlegte – ein Frühlingsstück mitten im Herbst immerhin. Wenn Martina Gedeck liest, fesselt sie vom ersten Moment an mit ihrer akzentuierten Prosodie – ihrem Wissen um Tempo, Rhythmus, Pausen und Akzente beim Sprechen. Als Schauspielerin ist sie eben vom Fach. Keine Frage: Von ihr möchte man sich nur zu gern vorlesen lassen.

Aber auch der Text ist gut gewählt: ein bisschen verworren zu Anfang, aber irgendwann findet man sich doch in den Duktus Blixens. Immerhin ist die Geschichte von dem ungewöhnlichen Festmahl namens „Babettes Fest“ 1987, 25 Jahre nach Blixens Tod, nicht nur verfilmt, sondern sogar mit einem Oscar ausgezeichnet worden.

Ein literarisches Meisterwerk sollte die Geschichte dabei gar nicht werden: Ursprünglich war sie für den amerikanischen Zeitschriftenmarkt konzipiert und erschien erstmals 1950 in der „Saturday Evening Post“ – und Blixen hatte den Ratschlag beherzigt, dass Geschichten über das Essen auf dem amerikanischen Markt ganz hervorragend funktionieren.

Auch an diesem Samstagabend ließ Martina Gedeck die Exzentrik der Autorin durchschimmern, die einen frühen „cultural clash“ zwischen der bedeutungslosen norwegischen Küche und der Haute Cuisine der als Froschfresser verschrieenen Franzosen zum Thema hat, ein frankophiles Plädoyer freilich, das schnell erzählt ist: Die erzkatholische Französin verzaubert die tief protestantischen Gastgeber schlichtweg mit ihren Kochkünsten. Und genauso bezaubernd, wie die Geschichte vorgelesen wird, wird sie auch vom Staatsorchester getragen, das sich extra mit Werken des norwegischen Komponisten Edvard Grieg – „Peer Gynt“ durfte natürlich nicht fehlen – ausgerüstet hatte. Die von Blixen erzeugte Spannung, die sich aus der Begegnung der beiden so unterschiedlichen Lebensstile ergibt, funktioniert bis heute. Paris und Skandinavien sind eben auch in Zeiten der Globalisierung immer noch zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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