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Kultur: Haydn-Genuss pur mit dem Casal Quartett

Am Ende war alles so klar und so selbstverständlich. Nur in Joseph Haydns Streichquartett d-moll op.

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Am Ende war alles so klar und so selbstverständlich. Nur in Joseph Haydns Streichquartett d-moll op. 9/IV konnte diese Entwicklung ihre Vollendung finden.

Der „Erfindung des Streichquartett“ widmete sich das Casal Quartett in seinem Konzert am Donnerstagabend in der Ovidgalerie der Neuen Kammern. Eine Zeitreise über sechs kompositorische Stationen, die von 1715 bis 1781 reichte. Gerade einmal 66 Jahre, doch genug, das sich so vieles veränderte. Dass Haydn, wie es so schön im Programmheft hieß, nicht „eines schönen Sommernachmittags über eine Zufallsbesetzung stolperte und sich dachte: Ach, das klingt ja hübsch!“, und somit das Streichquartett erfand, mag jedem bewusst sein. Denn die Entwicklung hin zu dieser „Königsdisziplin der Kammermusik“, wie Markus Fleck, Bratschist im Casal Quartett, in seinen fundierten und lockeren Kommentaren zwischen den Stücken erklärte, war letztendlich das Ergebnis zahlreicher Versuche. Mit Joseph Haydn fand sich der Komponist, dem mehr gelang als nur Versuche. So einfach und grau die Theorie, so farbig und überzeugend die musikalische Beweisführung im Casal Quartett.

Am Anfang, im Jahre 1715, stand Alessandro Scarlatti mit seiner Sonate a quattro d-moll. Doch schon der Fugencharakter im Largo zeigte, dass sich der Komponist noch sehr stark dem Barock verpflichtet fühlte. Über Sammartini und Guillemain ging es zu Georg Philipp Telemann. Dessen Sonata V in G-Dur, ein ständiges Hin und Her zwischen Schatten und Licht, Nacht und Tag, die Musiker das Casal Quartetts als spannungsreiches und akzentuiertes Wechselspiel gestalteten.

Nach der Pause dann Luigi Boccherini mit seinem Streichquartett d-moll op.2/I, der zusammen mit Haydn oft als „Erfinder“ des Streichquartetts genannt wird. Hier wurde sie schon deutlicher, die Eigenständigkeit der vier Stimmen, die von den vier Musiker vorzüglich moduliert wurden. Doch es schien, als fehlte noch immer etwas. Eine Kleinigkeit vielleicht. Als dann Haydns Streichquartett d-moll op. 9/IV anhob, die anfänglich so offensichtlich trivialen Themen, denen der Komponist immer wieder die überraschendsten Wendungen gab, immer wieder mit neuen Einfällen glänzte und so die Stimmen der beiden Violinen, der Bratsche und des Cellos auf eine gleichberechtigte Ebene hob, da spürte man, dass das Ziel erreicht war. Die Musiker bei diesem Quartett ganz bei sich. Klar im Ausdruck und virtuos in der Technik, mit dem herrlich warmen und so vollen Ton der Instrumente des berühmten Geigenbauers Jakob Stainer. Da war Licht und Farbe, Koketterie und Übermut, Rasanz und Ausgeglichenheit. Das war Haydn-Genuss pur, wie man ihn nicht mehr missen möchte. Dirk Becker

Dirk Becker

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