Kultur: Heftiges
„Pro Pain“ toben sich im Lindenpark aus
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„Pro Pain“ toben sich im Lindenpark aus Seit 13 Jahren verwandeln „Pro Pain“ aus New York ihre aufgestaute Wut im Bauch in stampfende Hardcore-Bretter für den Hausgebrauch. Fast jedes Jahr wird dieser musikalische Dammbruch auf Silberling gepresst. Öffnet man sich auf den Platten, wenn auch zaghaft, anderen Musikstilen, sind die amerikanischen Abrissbirnen auf Konzerten gewohnt brachial zu Gange. Am Freitag ritten „Pro Pain“ ausgestattet mit drei Vorbands in den Lindenpark ein. Doch die Supports sind keineswegs musikalische Füllware, die man kurzfristig aus der Eckkneipe gecastet hat. Mit „Loco“ röhrt deutscher Hardcore durch den Saal, dass der Putz bröckelt. Die Bassfrequenzen gab es scheinbar im Sonderangebot, so dass man sein Bier festhalten muss, damit es nicht von der Theke wackelt. Das Publikum hält vorsichtshalber Sicherheitsabstand und scheint sich die Kräfte für den noch in weiter Ferne liegenden Hauptact aufsparen zu wollen. Nur ein junger Iro-Träger macht sich mit kampfsport-artigen Gezappel warm. Danach folgt ein ungarischer Doppelpack: erst verdeutlichen die Emo-Rocker von „Subscribe“, dass ihnen das lange Stillsitzen im Bandbus nicht zusagt. Wie ein Tornado überrennt der dreadgelockte Shouter Csongor Bálint seine Bandkollegen und würde am liebsten die Hallendecke hochlaufen. „Superbutt“, ebenfalls aus Budapest, machen mit stampfenden, aber größtenteils farblosen Metalrock das Warten auf „Pro Pain“ unerträglich. Kurz nach Mitternacht setzt sich die Dampfwalze „Pro Pain“ dann endlich in Bewegung. Mit ihr kommt auch das Publikum endlich in Fahrt. Das Bühnenequipment wird noch schnell um einen Bierkasten erweitert: die Ausstattung ist also komplett. Aus der rotgefärbten Nebelwand schreitet das Fronttier Gary Meskil ans Mikro, bedankt sich höflich beim Publikum für den netten Empfang und beginnt sich mit seinen drei Bandkollegen auszutoben. Überraschungen braucht man keine zu erwarten. „Pro Pain“ machen das, was sie am Besten können: sie preschen los, ohne Breaks, ohne Pause, ohne Gnade. Wenn sich das schwergewichtige Gitarrenmonster Eric Klinger in die Luft schraubt, mutet das wie der Start des A380 an – ein Airbus mit tätowierten Flügeln, bei dem die Landung fast den gleichen Lärmpegel hat, wie das Output des Bass-Saitenzupfers nebenan. Eine Schmerzattacke jagt die nächste und das Moshpit vor der Bühne hält tapfer mit. Bier spritzt, die Matten kreisen und ein paar tollkühne Stagediver nutzen die Monitorboxen als Sprungbrett in die tosende Brandung. „Political Suicide“, „State of mind“, „Fuck it“ – kernige Aussagen in Brachialmanier vorgetragen. Musikalisch meist einfallslos, doch das ist es auch nicht was den Hardcore der Band ausmacht. Das kollektive Wir-Gefühl, das „Pro Pain“ erzeugen, macht dieses Manko schnell vergessen. Die heftige Breitseite über anderthalb Stunden lässt ein abgekämpftes Publikum vor und einen leeren Kasten Bier auf der Bühne zurück. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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