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Von Dirk Becker: Heimat

Irene Bauer-Kempff und ihr Vater, der berühmte Pianist und Komponist Wilhelm Kempff

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Irene Bauer-Kempff spricht viel von Heimat, wenn sie von ihrem Vater erzählt. Für sie ist Heimat schließlich dort, wo ihr Vater ist. Und am liebsten war der große Pianist und Komponist Wilhelm Kempff, so sagt es seine Tochter Irene Bauer-Kempff immer wieder, in Potsdam.

Wilhelm Kempff. Spätestens seit der Ende November eröffneten Ausstellung „Ich bin kein Romantiker. Der Pianist Wilhelm Kempff 1895-1991“ im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte ist der Name dieses Ausnahmemusikers in Potsdam nicht mehr nur einem überschaubaren Kreis ein Begriff. Doch seine Tochter Irene Bauer-Kempff schüttelt energisch den Kopf, wenn sie gefragt wird, ob jetzt mit dieser Ausstellung, die noch bis zum 1. Februar zu sehen ist, einer Wiederbesinnung auf Wilhelm Kempff in Potsdam beginne. „Nein“, sagt die 74-Jährige resolut. Der Name Wilhelm Kempff sei schon lange wieder bekannt in der Stadt. Doch erinnere sie sich an die Anfangszeit nach ihrer Rückkehr, wenn sie den Namen ihres Vaters erwähnte und oft zur Antwort bekam: „Kempff? Kenn ich nicht.“

Irene Bauer-Kempff wurde als fünftes von insgesamt sieben Kindern von Clara und Wilhelm Kempff in Potsdam geboren. Aufgewachsen ist sie in dem Haus am Neuen Garten, in das sie nach der Wende 1989 zurück kehrte und das dann sieben Jahre später wieder in den Familienbesitz zurück übertragen wurde. Hier, in diesem kleinen, von der Straße unauffälligen Haus, nur wenige Minuten vom Jungfernsee entfernt, hat sie ihre Kindheit verbracht. Hier hat der Vater seiner noch kleinen Tochter Irene Klavierunterricht gegeben. Doch musikalisch wollte sie ihrem Vater nicht auf dem von ihm so unnachahmlich beherrschten Instrument folgen. Irene Bauer-Kempff entschied sich für den Gesang und studierte in München. „Trotzdem bin ich in die Fußstapfen meines Vaters getreten“, sagt sie.

Nach der Musik widmete sich Wilhelm Kempff mit Leidenschaft der Fotografie. „Wenn mein Vater mit dem Flugzeug unterwegs war, musste es immer ein Fensterplatz sein“, erinnert sich Irene Bauer-Kempff. Diese Leidenschaft für das Bild hatte sich schnell auf sie übertragen. Einige der Portraits ihres Vaters in der „Ich bin kein Romantiker“–Ausstellung stammen von ihr.

Im Februar 1945 hatte die Familie Kempff Potsdam Richtung Oberfranken verlassen. Wilhelm Kempff lebte ab 1955 in Ammerland am Starnberger See, seit 1986 dann im italienischen Positano. „Doch Potsdam war immer in seinem Kopf“, sagt Irene Bauer-Kempff. Bis Ende der 1960er Jahre sei ihr Vater regelmäßig zu Konzerten in seine Heimatstadt gekommen und hatte immer gehofft, dass er bald auch mit seiner ganzen Familie zurück an die Havel hätte reisen dürfen. Doch Anfang der 1970er verschärfte sich die Lage, wurde ihm schriftlich mitgeteilt, dass er weiterhin nur allein nach Potsdam reisen dürfe. Daraufhin spielte Wilhelm Kempff wegen der großen persönlichen Enttäuschung nie wieder in Potsdam.

Für Irene Bauer-Kempff war es selbstverständlich, nach dem Mauerfall zurück in ihre Geburtstadt Potsdam, zurück in ihr Elternhaus am Neuen Garten zu kommen. „Damals wusste, bis auf wenige Musikliebhaber und Experten, kaum jemand etwas über meinen Vater, den Pianisten und Komponisten Wilhelm Kempff.“ Doch Irene Bauer-Kempff hat in den vergangenen Jahren hartnäckig daran gearbeitet, ihren berühmten Vater wieder zurück in das Gedächtnis dieser Stadt zu holen.

Am morgigen Sonntag werden ab 11 Uhr im Rahmen einer Matinee im Filmmuseum zu einem „Konzert“ zusammengestellte französische Filmaufnahmen mit Wilhelm Kempff gezeigt. Eintritt: 5 und 4 Euro.

Dirk Becker

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