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Kultur: Heimatsuche

Das Yamasaki-Ensemble auf dem Pfingstberg

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So in der Natur herumzuliegen und sich dabei noch ne Mütze Kultur gefallen zu lassen, ist recht angenehm. Dank des Pfingstberg-Vereins ist das in der Saison am besagten Ort ja auch möglich. Einmal macht es die holde Höhe immer bekannter, andrerseits lassen sich so wieder Spenden sammeln, nicht mehr zum Aufbau, sondern für den Erhalt der kulissenhaften Architektur. Am Sonntag konnte man die Bekanntschaft mit der japanisch-deutschen Künstler-Familie aus Berlin machen, dem Yamasaki-Ensemble. Beide sind Jahrgang 1979, Julia Yamasaki hat Gesang und Klavier studiert, Yusuke hingegen Schauspiel. Zu den Extras seiner künstlerischen Vita gehören Kendo, japanischer Schwertkampf, Taichi und das sichere Spiel auf der Shakuhachi-Flöte. Im Lindenrund vor dem Eingang zum Turmdoppel sangen und spielten sie Familiengeschichten aus dem Leben eines gewissen Ulysses, dessen Lächeln jedermann bezaubert haben soll. Obwohl von Ithaka die Rede war, handelte ihre Theaterperformance aber nicht von dem griechisch-antiken Helden, sondern von einem wackeren Mann armenischer Wurzeln, den es später nach Berlin verschlug. Etwa 50 Zuhörer jedweden Alters lauschten im Gras oder auf Bänken den hübschen, aber völlig harmlosen Schnurren des schnauzbärtigen Patriarchen. Notiert hat sie der armenisch-amerikanische Autor William Saroyan (1908-1981), Einwanderer aus dem armenischen Teil der Türkei und in den Staaten vor allem mit Kurzgeschichten und Romanen als wichtiger Schriftsteller seiner Zeit gehandelt.

Vier Geschichten aus dem Leben Ulysses wurden, mit eigenen und fremden Liedern sowie mit Solostücken auf der japanischen Flöte, überwiegend gestisch vorgetragen. In der ersten findet man ihn als vierjährigen Knaben in seinem Heimatort am Bahndamm, wo ein Zugpassagier ihm mit US-amerikanischen Slang im Vorbeifahren zuruft, er fahre nach Hause, wo er hingehöre. Dies war auch das ungeschriebene Motto der Open-Air-Veranstaltung, die Suche nach Heimat, dem Zuhause. Leider wurde dieses Thema vor lauter Freude am Erzählen nicht weiter vertieft. Dafür findet man Klein-Ulysses inmitten einer Lausejungen-Bande beim Aprikosenklau in Nachbars Garten, wo es um die ernsthafte Frage geht, ob dieser Diebstahl denn nach biblischen Gesetzen auch Sünde sei. Dann vor einem Schaufenster, wo der Knirps vor einem maschinenhaften Werbemenschen Todesängste bekommt. Aber dank seines Freundes geht auch diese Geschichte versöhnlich aus. Besonders hübsch gesungen und erzählt wurde, wie der alte Ulysses seinen Sohn Jorgie zur Spargel-Ernte nach Beelitz jagt, dieser aber lieber singt und Gitarre spielt, statt Geld zu verdienen: ein Künstler, ein Faulpelz? Beides zusammen geht doch wohl nicht. Die weise Großmutter dann gleicht den fehlenden Verdienst aus eigener Tasche wieder aus, damit der Opa Ulysses nur nicht schimpft.

Nach Tiefe suchend, erzählten selbstgeschriebene Lieder von der Weite des Ozeans, von heranwachsenden Bäumen, und dass, – versprochen! – „bei den Blumen die Liebe“ sein wird. Keine Frage, das japanisch-deutsche Ehepaar harmoniert auch künstlerisch überzeugend, zumal es seinen deutsch-japanischen Nachwuchs gleich mitgebracht hatte. Trotzdem hätte es nicht geschadet, die menschenfreundlichen „Geschichten über Kindheit, Familie und die Freuden des Lebens“ etwas mehr zu durchdenken. Yamasakis frische, ja fröhliche Vorstellung auf dem Pfingstberg endete, bei völligem Verzicht aufs Honorar, mit einem feurigen „Halleluja an die Welt“. Gerold Paul

Gerold Paul

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