Kultur: „Heine hatte etwas Zugvogelartiges“
Joseph Kruse über den Potsdam-Aufenthalt des Dichters – Sonntag Vortrag in der Villa Quandt
Stand:
Herr Kruse, warum hat es den Schriftsteller und Journalisten Heinrich Heine im Frühjahr 1829 für drei Monate ausgerechnet nach Potsdam verschlagen?
Ihn hat es immer auf die Seite gezogen, auf der es ruhig war, wo er aber gleichzeitig auch immer in der Nähe des Geschehens blieb. So war das in Bonn, als er dort studierte und auf der anderen Seite des Rheins in Beuel lebte. So auch in Hamburg, wo er nach Wandsbek und nach Altona gezogen war, weil es dort wohl preiswerter und seiner Meinung nach auch ruhiger war. Und so war das dann auch mit Berlin und Potsdam.
Also konnte Heine die Großstadt nur in Maßen ertragen?
Eigentlich war er Großstädter vom Gefühl her, obwohl im damals noch sehr ländlichen Düsseldorf geboren. Und so hat er auf der einen Seite das Geschehen, auf der anderen aber immer auch die Ruhe gesucht. Nun muss man aber auch sagen, dass Heine für seine Zeit als hypochondrisch veranlagt gelten konnte.
Nur weil er die Ruhe bevorzugt hat?
Heine hat gern auf Helgoland Urlaub gemacht, da konnte das Meer gar nicht laut genug rauschen. Aber wehe, in seinem Zimmer tickte eine Uhr.
Nun wissen wir nicht, ob es an den Uhren lag, aber Heine hat es in Potsdam nur drei Monate ausgehalten.
Ich würde sagen, dass er es in Potsdam schon ziemlich lange ausgehalten hat, wenn man bedenkt, wie oft er umgezogen ist. Was damals ja auch nicht ungewöhnlich war. Ein französischer Dichter und Zeitgenosse Heines ist allein in Paris 44 Mal umgezogen. Heine selbst hat es in seinen 25 Jahren in Paris auf bis zu 16 Umzüge geschafft.
Wobei Heine die letzten acht Jahre in Paris, bis zu seinem Tod im Jahr 1856, bettlägerig war.
Ja, die lebten damals aber auch anders. Oft möbliert. Im Gegensatz zu Goethe war Heine kein Buchsammler. Seine Bibliothek, die seit 1926 in Düsseldorf aufbereitet wird, umfasst nur 300 Bände. Heine hat vor allem die öffentlichen Lesekabinette und Bibliotheken genutzt, diese dann aber exzessiv.
Hielt Heine nichts von Besitztümern, der ihn an einen Ort binden würden?
Aus seiner Hamburger Zeit ist überliefert, dass ihn dort ein Bekannter besuchte und als er dessen Zimmer betrat, hatte er das Gefühl, Heine sei gerade erst von einer Reise zurückgekehrt. Heine habe etwas Zugvogelartiges an sich gehabt. Er war einfach von nervöser Konstitution, was aber auch den Charme dieses Berichterstatters ausmacht.
Heinrich Heine als ein Ruheloser?
Ja, schon in seiner Studienzeit hat er das preußische Polen besucht. Er war in Holland, England und in Italien. Von den deutschen Reisen mal ganz abgesehen. Welcher Autor mit noch nicht einmal 30 Jahren hatte damals schon München, Frankfurt am Main, Bonn, Göttingen, Berlin, Hamburg und noch viel mehr gesehen? Heine hatte dabei diesen schnellen Blick auf Ereignisse, die er aber auch immer interpretatorisch als etwas Ganzheitliches zu sehen versuchte. Dabei hatte er etwas skeptisch Beobachtendes und offenbar auch sehr viel Humor. In Potsdam hat er sich ja, so glaube ich, gar nicht so schlecht gefühlt.
Ihre Veranstaltung in Potsdam am Sonntag ist mit dem Zitat „Nichts als Himmel und Soldaten“ überschrieben. In der Ankündigung dazu steht weiter, dass Heine sich im Neuen Garten in die Gesellschaft von „einigen dicken Potsdamerinnen“ begeben habe. Weiter schrieb er über Potsdam: „Auch werde ich an zu viele Dinge, die ich gern vergäße, bei dieser Gelegenheit erinnert, z.B. an die trüben Tage, die ich in Potsdam zubrachte ...“ Das klingt nicht gerade nach Wohlfühlaufenthalt.
Heine war damals gerade 31 Jahre alt. Im Dezember hatte er seine Italienreise wegen des überraschenden Todes seines Vaters abgebrochen. Wie in seinen Briefen nachzulesen ist, hat ihn das total umgeworfen.
Also nicht nur trübe Tage in Potsdam, weil ihn, wie er schrieb, das Zahnweh plagte?
Nein, aber das sind vor allem ja auch schriftstellerischen Gesten. Und er steigert sich in diesen melancholischen Typus regelrecht hinein. Es gibt auch die hübsche Beschreibung seiner Begegnung mit Eduard Gans, diesem Edelschüler von Hegel, der später auch Professor wurde. Und dieser Gans muss wohl ein ziemlich kauziger Typ gewesen sein. Heine berichtet nun, dass sie Blumen gekauft hatten, weil sie das Grab des Philosophen Moses Mendelssohn in Berlin besuchen wollten. Sie hatten sich von Potsdam aus zu Fuß auf den Weg gemacht, was dann auch entsprechend lange dauerte. Und auf diesem Weg wollte Heine diese Blumen, ich glaube es waren Nelken, nicht länger tragen und weggeben. Daraufhin hat sie der Gans einfach gegessen.
Ah ja.
Das erwartete damals aber auch jeder, dass dieser Gans so kauzig ist. An einer anderen Stelle schreibt Heine über einen gemeinsamen Besuch in einem Salon. Dort habe Gans groß doziert und hat aber, mit sicherem Instinkt, so Heine, immer dann wenn die „Lachsbrödgchen“ – mit „dg“ – kamen, just davon das Beste und Teuerste gegriffen.
Aber viel Kontakt soll Heinrich Heine in Potsdam nicht gehabt haben, sondern relativ zurückgezogen in der Hohewegstraße 11, der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 121, gelebt haben.
Ja, das stimmt. Sein Verleger Julius Campe hatte ihn in Potsdam besucht und ihn in bedrückender Stimmung angetroffen. Und da spielt dann neben dem überraschenden Tod seine Vaters die sogenannte Platen-Affäre eine nicht unerhebliche Rolle.
Der Streit zwischen Heine und dem Dichter August Graf von Platen, in deren Folge von Platen Heine wegen seiner jüdischen Herkunft angriff und dieser dann auf von Platens Homosexualität anspielte.
Beide waren sehr ähnlich in ihrer Kritik an den damaligen politischen Zuständen. Aber dann trafen sie sich ganz empfindlich, im wahrsten Sinne des Wortes, am Unterleib. Von Platen beginnend mit der Beschneidung Heines und dieser dann an gleicher Stelle wegen dessen Homosexualität.
Trotz dieser Umstände und der nur drei Monate hat Heine aber wunderbar pointierte Zeilen über Potsdam geschrieben.
Genau. Und Potsdam kommt gut weg. Abgesehen von Düsseldorf, seinem verlorenen Paradies und Paris gibt es bei ihm kaum eine Stelle, in der er die Städte schont. Denken wir da nur an das arme Göttingen. Ich glaube schon, dass Heine dort gern gelebt hat. Aber die armen „Göttingerinnen mit ihren großen Füßen“ oder sein Hinweis, dass diese Stadt am schönsten sei, wenn man sie von hinten anschaut. Das ist Potsdam erspart geblieben.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Joseph Kruse spricht unter dem Motto „Nichts als Himmel und Soldaten“ am kommenden Sonntag, dem 22. August, um 11 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstr. 46/47 über Heinrich Heine in Potsdam. Das anschließende Gespräch moderiert Peter Walther. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 4 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 280 41 03
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