Kultur: Heißes Jazz Ding
Jazzgröße Till Brönner mit Gästen im Nikolaisaal
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Jazzgröße Till Brönner mit Gästen im Nikolaisaal Es ist heiß, im November, am Dienstag Abend im Nikolaisaal. Der Jazztrompeter Till Brönner ist die heißeste Nummer unter den wenigen nationalen Jazzstars. Diese Hitze spürten die 750 Zuschauer, unter ihnen der Finanzminister Rainer Speer und Louis Spiegelmann, der Entdecker der Dire Straits. Doch bevor Brönner seine schmeichelnde Tonsäule direkt auf die Hörorgane seines Publikums setzen konnte, betrat der Jungstar, der mit Größen wie Hildegard Knef, Pat Metheny, den No Angels und Natalie Cole gearbeitet hat, die Bühne, um seinen Überraschungsgast anzukündigen: Joe Sample. Die Piano-Legende, Mitbegründer der legendären Fusion-Formation The Crusaders, machte dem 1971 geborenen Sunnyboy aus dem niederrheinischen Viersen, seine Aufwartung. Mit dieser programmatischen Geste, die wohl viele der jüngeren und weiblichen Fans Brönners eine gute halbe Stunde gespannten Wartens schenkte, stellte der Jazztrompeter klar, dass er bei aller Liebe zum „Crossover“ mit dem Pop-, Easy-Listening- und sogar Rockgenre immer eins bleiben wird: ein Jazzer, der die Wurzeln nicht vergisst. Der 65 jährige Sample erledigt diese Reminiszenz für Brönner über den Flügel gebeugt, indem er schwarzen Jazz in der Harlem-Stride Tradition vorträgt. Seine Hände huschen über die Tastatur, er tupft die Bässe, die Finger der Rechten perlen funkelnde Läufe. Scott Joplins 1885 entstandener Ragtime-Klassiker „The Entertainer“ liefert die Überleitung zu Brönner und seiner fantastischen Begleitband. Brönner ist der moderne Entertainer: Gut gelaunt begrüßt er sein Publikum und glaubt sich zum ersten Mal in Potsdam, vergessend den Auftritt 2002 mit Helge Schneider beim Jazzfestival. Brönner führt gut gelaunt durch das Programm. Auf seiner nun vorgestellten CD „That Summer“ versucht er sich erstmalig auch als Sänger, fast möchte man sagen als „Crooner“ im Geiste eines Sinatras. Seine Stimme allerdings changiert zwischen der Höhe eines Randy Newman und der Flachheit der Pet Shop Boys: nicht störend, aber sie löst auch nichts weiter aus. Brönner braucht aber nur zu seinem Flügelhorn zu greifen, das er abwechselnd mit einer gedämpften Trompete spielt, und sein so federleicht aussehendes Spiel wirkt betörend. Musikalische Schwerstarbeit in satter, kristalliner Höhe, wie beiläufig, unbescheiden präsentiert, immer fast frappierend transparent. Gerade in den leisen Passagen, wenn die fragile Luftsäule von Brönners Ton nahe dran ist, zusammen zu brechen und es natürlich doch nicht tut, wenn jede Schwingung, ja der Atem selbst zu hören zu sein scheint, dann greift der Geist des Jazz das Herz an. Die enorme Spiel- und Improvisationsfreude der Band zeigt sich den instrumentalen Stücken. Wilde, aufpeitschende Duelle liefert der Trompeter sich mit dem Keyboarder Roberto di Gioia, dem Bassisten Christian von Kaphengst, dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner und besonders beeindruckend mit Bruno Müller und seiner furiosen, funky E-Gitarre. Brönner kann unter den Besten wählen. Dramaturgisch ausgefeilt kommt zum Ende der ohne Pause durchgespielten zwei Stunden der Höhepunkt. Nach einer Homage an Kermit, den Frosch, nach einem unter die Haut gehenden Duett mit der schwarzen Sängerin Kim Sanders treten Brönner und sein Idol Joe Sample für die Zugabe gemeinsam auf: mit Thelonious Monk. The real Jazz. Grandios. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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