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Kultur: Heitere Erhabenheit

Internationaler Orgelsommer: Karin Nelson in der Erlöserkirche

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Internationaler Orgelsommer: Karin Nelson in der Erlöserkirche Nach soviel Woehl''schem Orgelweihefestschmaus, in den zurückliegenden Tagen in der Friedenskirche reichlich genossen, offeriert sich das Angebot Schuke''scher Klanggenüsse in der Erlöserkirche als ein vergleichsweise frugales, wenngleich nahrhaftes Klangmenü nach Hausmannsart. Den Ohren erscheint es straffer, strenger und schroffer als früher. Keine Frage: Die Gegenüberstellung beider Instrumente hat ihre Reize – und der Internationale Orgelsommer seine traditionsreichen Spielstätten nebst ihren unverwechselbaren „Königinnen“ wieder, die im wöchentlichen Wechsel huldvoll um die Gunst des Publikums buhlen. In der Nansenstraße ist es die Organistin Karin Nelson aus Göteborg, die mit einem raritätenreichen Programm aufwartet. Darunter ist mancher unbekannte Name, den selbst das Lexikon „Musik in Geschichte und Gegenwart“ nicht kennt. Wie beispielsweise Gottlieb Nittauff (1685-1722), der sich mit einer Toccata vorstellt. Das Werk zeigt sich introvertiert, entbehrt auch nicht des voluminösen Klangs. Nicht sonderlich gehaltvoll, eignet es sich mehr zum Warmspielen. Doch nicht nur diesem Bach-Zeitgenossen, sondern auch dessen Vorläufern widmet die Organistin ihre Aufmerksamkeit. Wie Heinrich Scheidemann (1596-1663), Organist an der Hamburger Katharinenkirche, von dem ein Präambulum in d erklingt, das unter stetem Spieldruck steht und im organo pleno eine ziemlich gleichförmige Erhabenheit ausdrückt. Innigkeit gewinnt Karin Nelson den Choralvorspielen „In dich hab ich gehoffet“ und „Komm, Heiliger Geist“ ab. Schlicht sind ihre Melodiestimmen, die lyrisch und weich getönt ihre Botschaft übermitteln. Spitzflötenartige Registerzumischungen setzen reizvolle Akzente. Dann kommt Johann Sebastian Bach zu Wort - mit Präludium und Fuge A-Dur BWV 536. Für die gebrochenen, aus dem Diskant herabsteigenden Akkorde sind hellgetönte, prinzipalstimmige Register eine gute Wahl. Lebendig und klar laufen die Sechzehntelbewegungen ihre Bahn. Von der nachfolgenden Fuge geht freundlich Bestimmtes, eine fast mozartisch anmutende, heitere Erhabenheit aus. Die schnarrende Mixtur sorgt auch hier für einen geistreichen Einfall. Es scheint, als liebe die Organistin solche Apercus, die Miniatur, das spielerisch Kleingliedrige, die freundliche Rhetorik, den lyrischen Ausdruck. Alles das fordert die Wiedergabe des Stücks „hell und dunkel“ von Sofia Gubaidulina (geb. 1931) ein. In seinen grellen Clusterbildungen und dissonan-zenreichen Schichtungen, seinen glasklaren Tröpfeleien im Diskant, die von grummelnd „liegenden“ Pedalbässen kontrastiert werden, geht von dem unruhevollen und zerrissen wirkenden Stück eine geradezu verstörende Wirkung aus. Fragend löst es sich in einem ätherischen Nirwana auf. Ein beachtliches Stück zeitgenössischer Orgelliteratur, wenngleich etwas weitschweifig geraten. Geradezu kurzweilig wirken dagegen drei Sätze aus der 2. Orgelsinfonie von Louis Vierne (1870-1973), einer Hommage an die französischen Ambitionen der Schuke-Orgel. Ihr frankophones Kolorit hört sich gegenüber der Woehl''schen Kreation etwas schärfer an. Gassenhauerische Intentionen, Vorlieben für Diskantgrelle und Geräuschhaftes bestimmt abschließend Karin Nelsons Orgelimprovisation, eine effektreich registrierte Mischung aus Gubaidulina und Vierne. Peter Buske

Peter Buske

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