Kultur: Held mit Herz
Premiere von Ulrich Zaums Stück „Robin Hood“ am Hans Otto Theater
Stand:
„Spiel mir das Lied vom Tod“ tönt es anfangs dramatisch auf die noch dunkle Bühne, auf der ein Kubus die Wandelbarkeit des Theaterraums in der Reithalle A sinnfällig darstellt. Das, was mal Wohnraum des feist-gemeinen Sheriffs (Kay Dietrich) ist, wird im nächsten Akt zum Ort im grün-geheimen Wald von Robin Hood und seiner Bande. Dann wird einfach unten eine Klappe geöffnet, aus der ein Lagerfeuerchen glimmt und wo allerhand Vorräte gelagert sind, falls die Gruppe mal in eine Notsituation kommt.
Das tut sie aber lange nicht, denn erst muss die tapfer-freche Marian (Jenny Weichert), deren Onkel von dem wabbeligen Sheriff ins Kittchen gebracht wurde, als Mitglied aufgenommen werden. Zuvor überwindet sie im Räuberwald ihre Zitterangst vor dem Bären, der in kalten Nächten auch mal als Zudecke benutzt werden kann. Dieser Bär (Christian Klischat) ist albern putzig, wie er da so auf allen Vieren auf der Bühne herumtapst oder sich in Pose setzt. Als Marian seine schwächste Seite entdeckt, geht erst einmal eine Kitzelorgie ab, und alle Kinder, die am Donnerstag bei der Premiere des Stückes in der Regie von Bettina Rehm dabei waren, fanden das zum Piepen komisch.
Sie hatten viel zu lachen und viel zu entdecken bei diesem schnellen Stück, in dem sich die Bühne fast rascher wandelt als die Protagonisten. Und die sind in ihrer Vielfalt und Individualität nicht nur für die Kleinen als lustige und eventuell lehrreiche Vorbilder oder abschreckende Beispiele zu empfehlen, sondern auch für die Größeren. Für die jedenfalls, die Kind genug geblieben sind, um darüber lachen zu können, wie die Vogelscheuche allmählich lebendig wird oder wenn Marian zu Beginn den Hauslehrer-Anwärter (Carsten Kochan) mit Gräuelmärchen verscheucht, ohne dass der liebe Onkel merkt, was die Nichte da tut. Onkel Richard (Peter Wagner) versucht sich vergeblich als Erzieher von Marian, die „nicht auf Menschen zielen“ soll und wird dabei selbst Opfer der bösen Intrige des Sheriffs.
Und natürlich gibt es Robin Hood (Tobias Rott), dessen Namen man sich merken sollte, wenn man ein Herz für die Armen und Schwachen, aber auch für die Jungen und Frechen hat. Gar nicht übertrieben selbstsicher kommt er daher, und das ist in der Vorlage von Ulrich Zaum auch so angelegt, er versteckt sein gutes Herz vor Marian, steckt ihr aber aus Angst, sie könne verhungern, einen Pfefferkuchen zu. Und immer wieder beschützt er seine Freundin, nachdem die die Probe, die aus mathematischen Wahnsinnsfragen und Pfeileschießen besteht, genial bestanden hat. Doch sie ist kein schwaches, sondern ein starkes Mädchen, das mit Verstand, Herz und Mut die Bande vor dem scheinbar sicheren Untergang bewahrt – so dürfen sich die zwei liebenswerten Helden am Ende denn auch in einer schüchtern-komischen, von ihrem eigenen Schattenbild begleiteten Kussszene ganz nah kommen.
Nicht nur die Bühne, auch Musik und Kostüme warten mit reichhaltigen Details, in denen der Sinn für kleine Albernheiten versteckt ist, auf (Bühne: Julia Hattstein, Musikauswahl: Tino Bitschkowski). Der durchtriebene Jack Wiesel (Caroline Lux) trägt nicht nur unterschiedlich hohe Absätze, um besser über die Bühne zu humpeln, sondern kommt auch mal als Hexe daher, die ein selbstgehäkeltes buntes Leibchen trägt– Verkleidung und Verwandlung sind ein großes Thema dieser Inszenierung. Der Wiesel ist eine ganz durchtriebene Figur, die sich immer wieder neue Intrigen einfallen lässt – aber die Moral von der Geschicht“ ist am Ende klar: der gute Mensch, der sein Herz auf der Zunge trägt und seinen Mut über die Angst siegen lässt, gewinnt.
Trotz der schnellen Wechsel gelang es auch den kleineren Kindern, der Handlung zu folgen, und wenn sie mal ganz große Angst hatten, flüsterten sie ziemlich laut: „Das ist doch alles nicht echt, oder?“ Aber echter Spaß und echte Erfahrung sind garantiert, und die kommen ganz ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger daher. Die Kinder und Erwachsenen, die diese unterhaltsame Premiere gesehen haben, dankten lang und mit lautem Fußgetrappel.
Nächste Vorstellung: 10. Juni, 15 Uhr, in der Reithalle A.
Lore Bardens
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: