Kultur: Heldenepos voller stilisierter Poesie
Jubel um Purcells Semi-Opera „King Arthur“ im Schlosstheater
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Musik und Dichtung könnten auch für sich bestehen, gemeinsam aber sei es doch schöner. Meinte jedenfalls der britische Dichter John Dryden, Textdichter des „King Arthur“, dem Henry Purcell die herrlichsten musikalischen Einfälle hinzudichtete. Nicht in der Art einer herkömmlichen Oper, sondern als eine Semi-Opera, in der bunt gemischt gesprochen, gesungen, gemimt und getanzt wird. Quasi die barocke Frühform des Musicals. Längeren Textpassagen folgt eine instrumentale Zwischenmusik, gelegentlich eine gefühlvolle Arie, manchmal Ensemble-, häufiger dagegen prächtige Chorszenen, die das durchweg gesprochene Handlungsgeschehen untermalen, kommentieren, vorantreiben. Spannende Konstellationen also.
Von denen ließ sich Regisseur Colin Blumenau zu einer stilisierten Darstellung des Geschehens ums Entstehen der britischen Nation unter Führung von König Arthur (der von der Tafelrunde!) verleiten, als er das Werk – gemeinsam produziert von den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci und weiteren sechs Institutionen vergleichbarer Provenienz – im Schlosstheater im Neuen Palais zur umjubelten Premiere brachte. Wer singt seine Rolle, wer spricht sie nur? Man vermag es fast nicht zu unterscheiden, so eng verzahnt sind die Zutaten.
Auf einer kargen Szenerie mit hölzernem Wandgeviert von geradezu elisabethanischem Theaterzuschnitt (Ausstattung: Diana Schöpplein und Peter Kempe, nach einer Idee von Kit Surrey) mischen sie sich zu einem Guss. Aus aufklappbaren Fenster- und Türluken treten die Actors der sich bekriegenden Briten und Sachsen auf. Auf zwei Wandleitern klettern zwei Naturgeister. Aus Bodenluken werden verschiedenfarbige Stofftücher über die Bühne gespannt oder quillt Qualm, wenn beispielsweise die Sachsen ein dreifaches rituelles Menschenopfer vollziehen, natürlich streng stilisiert vorgeführt. Das Gros der Mimen und Sänger (Vokalsolisten der Capella Angelica) trägt Cargohosen, Springerstiefel und mit Postern versehene T-Shirts, die Zauberer sind in stilisierte Zottelgewänder gehüllt. Doch auch die sich an Wesentliches orientierende, dem epischen Theater verpflichtete Spielweise kaschiert manche darstellerische Unvollkommenheit sehr geschickt.
Wer ist Feind, wer Freund? Wem trauen, wem nicht? Die einfallsreiche, atmosphärisch dichte Inszenierung führt es in klaren, überschaubaren Arrangements vor. Wie schön auch, dass bei aller szenischen Sparsamkeit jederzeit die Poesie zu Wort (und Ton) kommt. Zu der romantischen Lovestory zwischen King Arthur (strotzend vor Virilität und Sprachintensität: Clayton Nemrow) und seiner anfänglich noch blinden Prinzessin Emmeline (sehr selbstbewusst und liebestreu trotz vielerlei Anfechtungen bis hin zur Entführung: Laura Cameron), der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen ihm und den eingedrungenen Heiden aus Sachsenland mit König Oswald an der Spitze (richtig bösewichtig in Sprech- und Singstimme: Tye Maurice Thomas) gesellt sich der Machtkampf übernatürlicher Wesen. Zum einen ist“s der zwischen dem guten, britenfreundlichem Luftgeist Philidel (mit kehlenleichtem und klangleuchtendem Soubrettencharme: Nicki Kennedy) und dem bösen, polternden, puckgleich herumtollenden, die Sachsen unterstützenden Erdgeist Grimbald (herrlich rauhstimmig: Jesse Inman). Dieser Streit fängt bereits in der Ouvertüre an und hört nach drei kurzweiligen Stunden noch lange nicht auf.
Spaß in seiner britischen Humorform. Er durchzieht den Abend – ein königliches Vergnügen. Doch wird die Geschichte trotz Intrigen und fieser Tricks zwischen den mächtigen Zauberern Osmond dem Sachsen (Darren Robert Smith) und Merlin dem Briten (Shaun Lawton) gut ausgehen? Aber ja doch! Doch ehe es soweit ist, klingen ihre mit markantem Timbre gesprochenen Texte, ihre Sprachkultur den Ohren wie Musik. Herrlich. Da bedarf es fast nicht des Blicks an den oberen Proszeniumsrand, wo die deutsche Übersetzung des englischen Originals projiziert erscheint.
Doch was wäre das ganze effektvolle Bühnenspektakel ohne die entsprechende Musikunterstützung, die von der Berliner Lautten Compagney unter Leitung von Wolfgang Katschner wie erwartet in kenntnisreicher historischer Spielmanier auf alten Instrumenten und mit hinreißendem Elan gegeben wird. Warm getönte Klänge, geschmeidig artikuliert und sinnerfüllt phrasiert, entströmen dem Orchestergraben. Des prickelnden Hörschwelgens scheint fast kein Ende. In zügigen Zeitmaßen, vibratolos, aber keinesfalls spröde enthüllen uns die Musiker die Schönheit der Purcellschen Erfindungen. Zu einem klanglichen Höhepunkt gestalten sie per frostig-klirrendem Streichertremolo die „Frostszene“, in der Bariton Tobias Müller-Kopp als Geist der Kälte die „eisübergossenen Lande“ visionär beklagt. Aus der Fülle weiterer gesangsolistischer Leistungen sei Sopranistin Stefanie Wüst erwähnt, die neben Cupido und Sirene als Britannia und in Queens-Pose das finale (Arien-)Lob der Insel anstimmt. Dass das Inszenierungsteam den einhelligen Beifall nicht entgegennimmt, ist merkwürdig. Hatte es etwa kein Zutrauen in sein Produkt?!
Peter Buske
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