Kultur: Heldinnen des Friedens im Schreibwerk
Am „Welttag des Mannes“, dem Donnerstag, wies ein spontan ausgelegter „Frauenpfad“ – das Motto des diesjährigen Frauenfestivals – über den im Dunkeln liegenden Hof des Luisenforums. Einladungskarten auf dem Boden zeigten Frauen den Weg zu Ute Scheubs Lesung aus ihrem Buch „Friedenstreiberinnen“ in den Räumen des Schreibwerks.
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Am „Welttag des Mannes“, dem Donnerstag, wies ein spontan ausgelegter „Frauenpfad“ – das Motto des diesjährigen Frauenfestivals – über den im Dunkeln liegenden Hof des Luisenforums. Einladungskarten auf dem Boden zeigten Frauen den Weg zu Ute Scheubs Lesung aus ihrem Buch „Friedenstreiberinnen“ in den Räumen des Schreibwerks. Frauen wissen sich eben zu helfen. Und als klar war, dass heute niemand mehr dem Pfad folgen würde, blieb man in kleiner, persönlicher Runde gleich am Weintisch sitzen. Schnell wurde aus einem frontalen Vortrag etwas Kollektiveres gemacht. Gelesen und geredet wurde im Kreis, nicht im einbestuhlten Plenum. So unkonventionell, also wenig steif und damit garantiert unmännlich, wie sich an diesem Abend auf die neue Situation eingestellt wurde, so arbeiten auch die Frauen, über die die taz-Mitbegründerin und langjährige Redakteurin der alternativen Tageszeitung geschrieben hat. Scheub porträtierte in ihrem Buch elf Aktivistinnen, die sich rund um die Welt für Menschenrechte einsetzen. Da ist Christiane Schwarz, die sich für das weltweit arbeitende Netzwerk „Peace Brigades International“ engagiert. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, Kämpfer für Frieden und Menschrechte, demokratische Politiker, die akut bedroht sind, in ihren Ländern durch ihre bloße Präsenz Schutz zu gewähren. Völlig unbewaffnet, indem sie und ihre Netzwerker zeigen, dass sie Gefahr teilen werden. Die im Buch vorgestellten Persönlichkeiten stehen mittlerweile auf der Liste der Vorschläge für den Friedensnobelpreis. Ute Scheub wurde auf diese erstaunlichen Biografien aufmerksam, als sie selbst endlich auch handeln wollte. Ihr Thema als Journalistin sind die Auswirkungen von Kriegstraumata. Wie in Afghanistan: „Nach 23 Jahren militärischer Besatzung, Bürgerkrieg und amerikanischer Bombardierung dürfte es dort keine Frau geben, die nicht traumatisiert ist“, sagte Scheub. Sie gründete das Netzwerk „Scheherazade“. „Ich wollte helfen, durch Dialog Leben zu retten.“ In Afghanistan traf die Autorin auf Nooria und ihr Leben, das gleich für mehrere reichen würde. Der Kampf für Demokratie der Bauingenieurin begann bereits unter der Sowjetherrschaft. Auch neun Jahre Gefängnis konnten ihren Willen nicht brechen. Sie gründete eine Untergrundschule in ihrer Wohnung, als die Taliban die Frauen hinter dem Schleier verstecken wollte, ihnen Bildung verboten war. Noorias heutiger Tagesablauf weckt bei den Zuhörerinnen Bewunderung. Neben einem Job im afghanischen Frauenministerium versorgt sie fünf Kinder und einen Mann, führt den Haushalt und leitet ihre Friedensorganisation. Für Schlaf bleiben jeden Tag ganze drei Stunden. Die Britin Helen kämpft schon seit Jahren gegen das gigantische und an sich geheime amerikanische Satellitenspionageprojekt Echelon. In englischen Yorkshire werden von den Amerikanern weltweit Telefonate, Faxe und Emails abgehört und ausgewertet. Es gilt als erwiesen, dass allein der Schaden für Wirtschaftsspionage, der durch die Anlage „Menwith Hill“ entstand, 146 Milliarden Dollar hoch ist. Helen blockierte die Straße und schnitt Stücke aus dem Schutzzaun. Für ihre antimilitärischen Aktionen gegen die von den USA lange geleugnete Anlage wanderte sie mehr als 30 Mal ins Gefängnis. Ihren Humor hat sie behalten. Scheub hat ihn so in ihren Beschreibungen eingefangen, dass er auf die Zuhörer im Schreibwerk überspringt. Stark und mutig sein, gleichzeitig Mitgefühl zeigen, und so zu Heldinnen werden, ohne gleich in einen Krieg ziehen zu müssen. Männer könnten das auch. Warum tun sie es nicht öfter? Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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