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Kultur: Herausfordernd

Thomas Zehetmair im Kammerakademie-Konzert

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Resignation und Fatalismus bestimmen bei Wolfgang Amadeus Mozart die Tonarten in g-Moll. Man denke nur an Paminas Arie „Ach ich fühl’s, es ist entschwunden“, an die der Konstanze „Traurigkeit ward mir zum Lose“. Aber auch das Streichquintett KV 516 spricht in dieser Symbolik. Die g-Moll-Sinfonie aus dem Jahre 1788 hat ebenfalls einen eher düsteren Charakter, ja sie ist biografisch durchdrungen. Des Komponisten Lebenssituation war zu dieser Zeit vor allem finanziell nicht sehr rosig. Diese Sinfonie musizierte die Kammerakademie Potsdam unter dem Dirigat von Thomas Zehetmair, Chefdirigent der Northern Sinfonia Newcastle, in ihrem jüngsten Sinfoniekonzert im voll besetzten Nikolaisaal.

Die Programmauswahl für dieses Sinfoniekonzert war beeindruckend. Nicht nur Werke des sich im Mozart-Jahr stets bestens zu „vermarktenden“ Mozart waren zu hören, sondern auch solche, die zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts gehören. Somit war der Abend im Nikolaisaal ein für Geist und Sinne herausfordernder.

Melancholie, Schmerz und Klage bestimmten weitgehend die Werkauswahl. Zu Beginn zielte des japanischen Komponisten Toru Takemitsu Requiem für Streichorchester, 1957 entstanden, ganz darauf hin. Es ist eine kontemplativ ausgerichtete Musik, die kontinuierlich fließende Linien aufweist. Dieses Reqiuem ist nur auf Trauer ausgerichtet. Trost und Hoffnung sind jedoch unentbehrliche Bestandteile einer katholischen Messe. Davon war nichts zu hören. In der Interpretation Zehetmairs und der Kammerakademie blieb die Musik stets im Fluss, spannte sich ein einziger großer Bogen über die emotional bewegende Partitur.

Nur knapp acht Minuten beträgt die Spieldauer der zweisätzigen Sinfonie op. 21 (1928) von Anton Webern. Auch dieses Stück des Schönberg-Schülers bedarf großer Aufmerksamkeit. Vielleicht ist die Durchdringung der spiegelsymmetrischen Beziehungen in der Musik nicht so leicht zu durchschauen, doch das interessant eingesetzte Instrumentarium dürfte sofort für sich einnehmen. Das Opus 21 ist farbig. Neben Streichern sind die Klarinette, die Bassklarinette, zwei Hörner und die Harfe zu hören. Bei aller formalen Strenge wussten die Musiker die feinsten klanglichen Abstufungen differenziert zu Gehör zu bringen.

Thomas Zehetmair, seit einigen Jahren auch als Dirigent hervortretend, hat sich in der Musikwelt jedoch als einer der besten Geiger unserer Zeit hervorgetan. Darum war es natürlich ein besonderes Ereignis, dass er sich mit seiner Violine in Potsdam vorstellte. Mit seiner langjährigen Musizierpartnerin und Ehefrau Ruth Kilius, Viola, war er Solist von Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 , die die Traditon des barocken Concerto grosso mit seinen Kontrasten von Tutti- und Solopartien fortsetzt. Ein lebendiger Dialog entspann sich nicht nur zwischen den Solisten, sondern zwischen ihnen und dem Orchester. Kontrastierende Stimmungen wurden von den Musikern mit Intensität gespielt. Dabei erwies sich der dunkel klagende Mittelsatz als besonders ausdrucksvoll. Kilius und Zehetmair haben sich mit erlesenem Klangsinn und sprühender Beweglichkeit dem Konzert angenommen und es verstanden, mit der Kammerakadmie zu einer gemeinsamen Sprache zu finden. Großer Beifall galt dieser Interpretation. Gefeiert wurden Zehetmair als Dirigent und das Orchester auch nach der Wiedergabe der g-Moll-Sinfonie von Mozart zum Abschluss des Konzerts. Innovativ, aufgekratzt und explosiv servierten die Musiker dieses Werk, das nicht nur Resignatives, sondern auch wütend Aufbegehrendes bereithält.

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