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Kultur: Herrlich frech und eloquent heiter

Ein Abschluss nach Maß: Die Brandenburgischen Sommerkonzerte in der Erlöserkirche

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Die Geigerin Julia Fischer hat es gerade vorgemacht: Konzertabsage für ihren Auftritt zur Saisoneröffnung im Nikolaisaal. Und nun auch Clara Dent am Sonntag beim Abschlusskonzert der 19. Brandenburgischen Sommerkonzerte in der Erlöserkirche. Doch in beiden Fällen waren die Absagen mit äußerst positiven Gründen verbunden. Beide Musikerinnen erwarten ein Kind und müssen auf ärztlichen Rat hin die aufreibende Konzerttätigkeit vorerst meiden. Und wie schon im Nikolaisaal, wo Ray Chen und Da Sol Kim den Part von Julia Fischer übernahmen, war Victor Aviat, der für Clara Dent einsprang, mehr als nur Ersatz. Der 28-Jährige machte Richard Strauss’ Konzert für Oboe und kleines Orchester in D-Dur zu einem herrlich frechen und eloquent heiteren Streitgespräch zwischen dem Orchester und seiner Oboe.

Victor Aviat nahm den scheinbar nicht enden wollenden Parforceritt durch dieses Hochvirtuosengebirge mit Leichtigkeit und wunderbar modulationsfähigen Ton. Die polnische Kammerphilharmonie Sopot unter Wojciech Rajski gab ihm einen genügsamen Gegenpart. Schnörkellos und detailgenau, gelegentlich mit sattem Schmelz und strengem Pathos. Ein zurückhaltender Antreiber, als wolle er die Oboe um maßvolle Konversation bitten. Doch dazu ließ Aviat sich nur selten zwingen. Und so gehörten die Höhepunkte in diesem Konzert seinen immer wieder wilden Ausflügen, mal ironisch vor sich hin plappernd, dann wieder keck das ganze Orchester herausfordernd.

Doch von solchen Spielchen ließen sich die polnischen Musiker wenig beeindrucken. Wie in der einführenden Ouvertüre „Ruy Blas“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy und der abschließenden Sinfonie Nr. 5 in c-Moll von Ludwig van Beethoven gab sich das Orchester äußerlich streng, fast schon reserviert. Die Emotion gehörte allein der Musik. Und hier sorgte das Orchester für wahren Genuss. Straff und klar, kraftvoll und akzentuiert, mal herrlich leisetretend, dann wild aufbrausend Mendelssohns Ouvertüre, bei der es keine Zeit zu vergeuden galt.

Und Beethovens bekannte Fünfte? Auch die in der Spielart dieser Musiker ein Genuss. Herrlichste Kraftmeierei, die Wojciech Rajski gut am Zaume hielt und gelegentlich toben ließ. Da baute sich Großes, Mächtiges und Erhabenes auf. Und so ließ man sich überrollen von dieser musikalischen Wucht, ließ sich Beethoven um die Ohren hauen, bis fast die Freudentränen kamen. Das Publikum in der gut gefüllten Erlöserkirche dankte mit viel Applaus. Dirk Becker

Dirk Becker

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