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Kultur: Hexen und Narren vom Hof gejagt

Mit „Engelskrieger“ haben Subway to Sally den Bruch gewagt – Klischees bedienen sie weiterhin nicht

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Mit „Engelskrieger“ haben Subway to Sally den Bruch gewagt – Klischees bedienen sie weiterhin nicht Von Dirk Becker Spätestens im Gespräch wird klar, Vorurteile erweisen sich hier als besonders dünnhäutig. Zu leicht wollte man es sich machen. Da, wo der Dudelsack blökt und die Geige fiedelt, schwarz gewandte Gestalten von Tod, Henkersbraut und anderem morbiden Zeug singen, lässt sich das melancholieschwere Herz gern nieder. Spinnengewebe und Friedhofskulisse, fertig ist das Klischee vom Barden der Todessehnsucht und seiner bleichgeschminkten Klientel. So einfach hätte es sein können. Doch mal ganz ehrlich. Eigentlich hätte von Anfang an klar sein müssen, dass Subway to Sally es einem nie so leicht machen würden. An einem hitzeflirrenden Vormittag geht es in die Schiffbauergasse. Die Band dreht dort ein Video zu „Unsterblich“ aus dem aktuellen Album „Engelskrieger“. In der Russenhalle ist es dunkel, die Augen brauchen einen Moment. Dann erkennt man den riesenhaften schwarzen Vorhang, der von der Decke hängt. Hier wird wohl die Nacht geprobt? Klischee, ick hör dir trapsen. Kurze Zeit später sitzt man an einem Tisch in der Ecke und bekommt sein etwas schiefes und voreingenommenes Bild von dieser Band auf nette aber bestimmte Art zurecht gerückt. Sänger Eric Fish und Gitarrist Bodinski sind die einzigen der siebenköpfigen Potsdamer Formation Subway to Sally, die bei den Aufnahmen zu dem Video anwesend sind. Bis zum Abend müssen die Dreharbeiten abgeschlossen sein. Und so entwickelt sich das Gespräch zu einem fliegenden Wechsel zwischen Fish und Bodinski. Kennt man die Musiker von offiziellen Bandfotos, auf denen sie den Finsterblick apokalyptischer Krieger pflegen, rechnet man bei jeder heiklen Frage damit, dass sie einem den Kopf abbeißen. Doch Fish und Bodinski entpuppen sich schnell als äußerst angenehme und sympathische Zeitgenossen. Vom todesverliebten Düsterling keine Spur. Und so nutzt man die kurzen Pausen im Gespräch, um sich über das neugewonnene Bild von dieser Band im Klaren zu werden. Mehr als 1000 Konzerte Da wären zuerst einmal die Fakten. In den 80ern wurde aus der Schülerband Zweieck, das Projekt Bodinksi Beat und im Jahre 1990, auf alkoholgetränkter Gartenparty, so will es die Legende, dann Subway to Sally. Anfangs musikalisch noch etwas kopflos, entwickelte sich in den folgenden Jahren der typische Subway to Sally-Sound. Deutsche Texte vermischt mit metallastigen Gitarren und mittelalterlicher Jahrmarktmusik. Mittlerweile haben sie ihr siebentes Album veröffentlicht, kürzlich die 1000er Marke in Sachen Liveauftritt überschritten und gelten als eine der erfolgreichsten Bands ihrer Branche. Ob nun beim reinen Heavy Metal Open-Air in Wacken vor 40 000 Zuschauern oder zwei Wochen später beim Gothicfestival M“Era Luna, wo, so Eric Fish, 25 000 „schwarz gekleidete Phantasiegestalten“ lustwandelten; betreten die Potsdamer Musiker die Bühne, brennt der Garten. Ausgerechnet in Potsdam erzählen, dass Subway to Sally eine außergewöhnliche Liveband sind, wo hier das jährliche Weihnachtskonzert im Lindenpark Wochen vorher ausverkauft ist, käme dem Versuch gleich, Eulen säckeweise nach Athen zu schleppen. Und obwohl es hierfür kein Patentrezept gibt, bleibt trotzdem die Frage: Woher kommt dieser Erfolg? „Spielen, spielen, spielen“, lautet schlicht und ergreifend die Antwort von Fish. Subway to Sally sind den klassischen Weg gegangen, haben anfangs auf Konzerten vor nur sieben Leuten gespielt. „Und versuchen, selbst die begeistern zu können“, so Fish, das war und ist einer der ehernen Grundsätze dieser Band. „Wenn die Leute zum Konzert kommen, sich völlig hingeben und für einen Moment alles vergessen können, dann sind wir gut.“ Hört sich verdächtig nach einer Phrase an. Im Fall von Subway to Sally sprechen die Fakten aber für die Musiker. Mehrmals wiederholen Fish und Bodinski, dass sie immer darauf geachtet haben, sich „nicht zu verbiegen“. Noch so eine Formulierung, die in der Musikbranche inflationär gebraucht wird. Doch man kann sich winden wie ein Aal, ein Blick auf die Bandvita ist das überzeugendste Argument, dass diese Äußerung auch hier mehr ist als nur eine Worthülse. Martialische Gitarrenriffs Seit Jahren nun bewegen sich Subway to Sally mit ihrem eigenwilligen Mix zwischen Metal und Mittelalter weitab jeglicher Mainstreamgefilde. Doch ist die Zeit im Phantasieland zwischen all den Hexen und Hofnarren seit „Engelskrieger“ erst einmal vorbei. „Das neue Album ist ein musikalischer Bruch“, erklärt Bodinski. War der Vorgänger „Herzblut“ noch ruhig und satt von mittelalterlichen Anleihen, kommt das neue Album im schweren Schuhwerk der Dampfhammerfraktion daher. Martialische Gitarrenriffs und eine Wucht, die manchen altgedienten Fan mehr als erschreckten. „Wir fordern unser Publikum heraus“, so der lapidare Kommentar von Fish. Ganz so spurlos gingen die Reaktionen mancher Fans dann aber doch nicht an ihm vorbei. „Am Anfang waren wir schon erschrocken, wie manche auf unser neues Album reagiert haben“, gibt Fish zu. Im Forum auf ihrer Internetseite wurden ihnen kräftig die Leviten gelesen. Doch jetzt ändere sich bei vielen die Meinung. „Wir haben uns als Menschen und demzufolge auch als Band weiterentwickelt“, so Bodinksi. Die jeweilige persönliche Situation, in der man sich gerade befinde, spiegle sich in der aktuellen Liedern wider. Anderthalb Jahre haben sie an „Engelskrieger“ gearbeitet. Der 11. September und alles was danach in der Welt passierte und passiert, habe auch seine Wirkung auf Subway to Sally gehabt. Wer bisher die Texte der Band als friedhofsromantische Schauerlyrik mit blassem und kurzweiligem Effekt abtat, der wird durch das aktuelle Album eines Besseren belehrt. Ob „Falscher Heiland“, das Kriegstreiberei thematisiert oder „Kleine Schwester“ und das äußerst beklemmende „Abendlied“, zwei Lieder, die sich mit Kindesmissbrauch auseinander setzen, an den Texten gibt es nichts zu deuteln. Die Musiker sind in der Wirklichkeit angekommen. Direkt und gnadenlos knallen Subway to Sally einem ihre neuen Lieder an den Latz, und die Fans haben die Botschaft begriffen. Doch erst die Konzerte im Spätsommer und Herbst werden in dieser Hinsicht „richtig spannend“. Denn hier wird sich zeigen, wie das Publikum das neue Album annimmt. „Aber wir glauben daran, live immer noch zu überzeugen und jeden ins Boot zu kriegen.“ So wie das Eric Fish sagt, klingt das weder überheblich noch wie eine Drohung. Es ist schlicht und ergreifend eine Feststellung. Subway to Sally spielen morgen ab 20 Uhr open air am Waschhaus. Karten an der Abendkasse 25 Euro.

Dirk Becker

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