Kultur: Hiebfeste Zugriffe im Nikolaisaal Klaviermusik
zu vier Händen
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Die linke Hand der einen begibt sich oftmals in enge Tuchfühlung mit der rechten der anderen. Doch die Reviere der Klaviatur sind aufgeteilt, jede Pianistin hat ihren eigenen Spielbereich. Terrainstreitigkeiten bis hin zu Grenzübertretungen finden beim Tastatieren des indonesischen Klavierduos Sonja & Shanti Sungkono nicht statt. Schnell merkt man: die Zwillingsschwestern schwingen auf gleicher Wellenlänge.
Für ihren Foyer-Auftritt innerhalb der Nikolaisaalreihe „Stunde der Musik“ sind sie gleich gekleidet (strassglitzernde frackähnliche Oberteile) und befinden sich von Anfang bis Ende ihres über zweistündigen Auftritts im gegenseitigen Einklang mit der Musik. Die erweist sich der Gattung „Klavier zu vier Händen“ zugehörig und als eine Form bürgerlichen Musizierens im 19. Jahrhundert. Nicht zu vergessen: auch die Weiterentwicklung vom Hammerklavier zum Konzertflügel trug zum Einzug in den Salon bei. Da man eng beieinander, wahrlich auf Tuchfühlung sitzt, ist gegenseitiges Verstehen unabdingbar. Geschwisterpaare (die Brüder Kontarsky etwa, die Schwestern Katia und Marielle Labèque oder die Zwillinge Güher und Süher Pekinel) scheinen für solche Art intimen Musizierens wie geschaffen.
Doch auch die Vorliebe der einen zu kraftvollem Agieren auf den Tasten findet sein Pendant im nicht weniger hiebfesten Zugriff der anderen. Die Präzision dabei ist beeindruckend, auf Dauer leider auch ein wenig ermüdend. Und stücknivellierend. Muss Claude Debussy genauso klingen wie Franz Schubert (dem der erste Teil gewidmet ist) und dieser wiederum wie Antonin Dvorak? Zwischenfarben bleiben bei dem virtuosen Spiel der Pianistinnen rar. Beide verfügen über die gleiche Art des klaren, kalkulierten Anschlags, wanken nicht einen Deut vom Pfad der (Dynamik-)Tugend. Im Kraftvollen wie Leisen nicht die geringste Unsicherheit: es scheint, als spielten Klone miteinander.
In Schuberts f-Moll-Fantasie D 940 zeigen sie für das Schicksalhafte des Allegros die Krallen, um im Largoabschnitt mit Samtpfötchen zu sing-spielen. Heiter und eilend sehen sie sich im Scherzoteil um. Geschmeidig sind Handgelenke und Armbewegungen beim A-Dur-Rondo D 951 in Aktion, wobei das Erklingende nur wenig davon profitiert. Bei Schlussakkorden wird das (Nachklang-)Pedal ausgiebig niedergetreten, was wohl aus ihrer Sicht für eine Prise Romantik sorgen soll. Dem Beinamen „Lebensstürme“ für das Allegro a-Moll D 947 entsprechen sie fast wortgetreu. In einem Originalarrangement als Klavierauszug für vier Hände hat Debussy den einzigen Satz einer geplanten Sinfonie in h-Moll überliefert, den die Sungkono-Schwestern mit der von ihnen bevorzugten Spieltechnik bis hin zum pathetischen Finale ausbreiten.
Freude kommt bei Dvoraks Slawischen Tänzen op. 46 von auf, deren folkloristischen Furor sie brillant treffen. Den Rhythmus auch. Die Sentimentalität dagegen weit weniger. Schade, dass sie mit ihrem Tastenspiel dem Programmtitel „Fantasie in Schwarz-weiß“ so vordergründig entsprechen wollten. Peter Buske
Peter Buske
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