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Kultur: Himmlisch

Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam

Stand:

„Wollte Gott zu den Menschen in Musik sprechen, so täte Er es mit den Werken Haydns; doch wenn Er selbst Musik hören wollte, würde Er sich für Boccherini entscheiden“, schrieb der Pariser Opernmeister J. B. Cartier 1798.

Das Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal bot reichlich Gelegenheit, diese Einschätzung zu reflektieren. Leicht wurde die Entscheidung nicht, zumal sich den Darbietungen zweier Sinfonien von Josef Haydn und des B-Dur-Cello-Konzerts von Luigi Boccherini noch ein „Concertone“ von Wolfgang Amadeus Mozart hinzugesellte. Dazu kam, dass die Kammerakademie unter der Leitung von Andrea Marcon strahlte wie ein frisch geputzter Kronleuchter. Der Auftritt des Cellisten Konstantin Heidrich fügte noch einige besonders funkelnde Glanzlichter hinzu.

Josef Haydn ist ein Phänomen, das bis heute für Überraschungen aller Art sorgt. Wie ungewöhnlich war es, eine Sinfonie in der entlegenen Tonart H-Dur zuschreiben! Das fordert nicht nur die Streicher heraus, sondern bietet auch den Hörern etwas Neues. Der erste Satz von Nr. 46 wirkt schroff und scharfkantig, auch die zwei anderen Sätze in dieser Tonart vereinen massive Akzente mit strahlendem Glanz, wie wuchtige Felsen im Sonnenschein. Sehr empfindsam erklingt das durchweg „gedämpfte“ Adagio mit einem Wechselgespräch zwischen tänzerischen, tastenden Staccato-Läufen und weichen Legato-Bögen. Nicht nur hier verbreiten die Naturhörner besondere Klangfarben, zwischen rustikal, burlesk und ruppig.

Auch in der Sinfonie Nr. 60 mit dem Beinamen „Der Zerstreute“ setzten sie im Verein mit Clarinos markante Akzente. Diese Symphonie, eigentlich eine Bühnenmusik, verblüfft mit drolligen, grotesken Einfällen voller Übermut. Zwei gegensätzlich Kräfte scheinen im Adagio am Werk zu sein: Während Streicher und Holzbläser biedermännische Schaukelstuhlbehaglichkeit verbreiten, werden sie immer wieder von herben Bläserfanfaren aufgeschreckt. Zum Tumult gerät das stürmische, l äußerst präzis gespielte Presto. Mit einem wahrhaft verrückten Kehraus-Satz, in dem die Violinen mitten im Spiel pausieren, um ihre Saiten umzustimmen, endet der musikalische Spaß.

Einen größeren Kontrast als das zur selben Zeit entstandene Cello-Konzert B-Dur von Luigi Boccherini, Hofcompositeur von König Friedrich Wilhelm II, lässt sich dazu kaum vorstellen. In diesem Konzert, das zwar das beliebteste des italienischen Meisters ist, aber nicht als Original gilt, wird von Anfang an ein ebenso erhabener wie anmutiger und schmeichelhafter Ton angeschlagen. Unter der meisterhaften Führung von Konstantin Heidrich schwingt das Cello mit sublimen Klängen und scheinbar schwereloser Leichtigkeit von tiefsten Tönen in höchste Höhen, ziseliert feinste Tongespinste, vibriende Akkorde. Erst recht die virtuosen Kadenzen erzeugen eine Vorstellung davon, wie es sein muss vom Erdboden abzuheben und in himmlische Sphären einzutauchen.

Gleichsam als Bindeglied zwischen Himmel und Erde dient das „Concertone“ von Mozart. Dieses Jugendwerk setzt zwei Violinen und eine Oboe miteinander und mit dem Orchester ins Gespräch. Die Solisten der Kammerakademie Potsdam, Yuki Kasai und Peter Rainer, Violine, und Jan Böttcher, Oboe illuminieren dieses Meisterwerk galanter Rokoko-Konversation mit eleganter Linienführung und strahlender Intonation. Begeisterter Beifall belohnte dieses Konzert, bei dem in jedem Fall reichlich himmlische Musik erklang. Babette Kaiserkern

Babette KaiserkernD

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