Kultur: Hinreißend agil und lustbetont
Adventskonzert der Kammerakademie Potsdam im Schlosstheater
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Wo Adventskonzert drauf steht, sollte auch Adventsmusik drin sein. Ist es aber nicht. Jedenfalls nicht bei der Kammerakademie Potsdam, deren montagabendliches Adventskonzert im Schlosstheater diverse Musiken bereithielt, die auch zu allen anderen Anlässen hätten erklingen können. Lediglich der Bachschen Orchestersuite Nr. 4 D-Dur BWV 1069 ließe sich auf verschlungenem Gedankenpfad ein vorweihnachtlicher Bezug herstellen. Entspricht doch der Ouvertüren-Einleitungssatz dem umgearbeiteten Eröffnungssatz der Kantate „Unser Mund sei voll des Lachens“, die für den ersten Weihnachtstag bestimmt ist. Das war“s dann auch. Dass das Segeln unter falscher Flagge auf dem barock-klassischen Notenmeer dennoch Erlebnisse der besonderen Art bereithält, ist dem engagierten Einsatz des Orchesters zu verdanken. Dessen Musiker erweisen sich als fundierte Sachwalter der Alten Musik. Sie werden angeleitet vom Szene-Spezialisten Bernhard Forck, der das Geschehen hingebungsvoll steuert.
Also Bach. Die Musiker wollen nah am Originalklang sein und spielen deshalb vibratolos, was den Tanzsätzen eine gewisse Herbheit verleiht. Sie artikulieren straff, wirken in den schnellen Sätzen wie eine stramm gespannte Sprungfeder, der die Energie nie auszugehen scheint.
Ausgelassen, keck und seufzerreich (drei Oboen!) zeigt sich die Bourrée, klangprächtig und in gleichsam aufgelockerter Gravität die Gavotte. Menuett und Rejouissance kommen farbenreich und schwungvoll daher. Wie überhaupt auf präzises Zusammenspiel, auf Differenzierungen in Dynamik und Phrasierung größter Wert gelegt ist.
„Liebeserklärung und zugleich Klage der unglücklichen Liebe“ verheiße die Tonart c-Moll, meint Musikästhetiker Christian Friedrich Daniel Schubart. Für die schmerzvolle Grundstimmung von Antonio Vivaldis diesbezüglichem Cellokonzert trifft es zu. Mit dem dunkel leuchtenden und warm getönten Ton seines klangprächtigen Instruments aus der Meisterwerkstatt von Matteo Gofriller singt es Alban Gerhardt ungemein ausdrucksintensiv dem andächtig lauschenden Publikum vor. Gleich einem Lamentoso spielt er mit beseelter Hingabe das Adagio. Die mannigfaltigen chromatischen Reibeflächen der schnellen Ecksätze kostet er genauso lustvoll aus wie die Virtuosität des Finales, in dem sich gleichzeitig der morbide Charme des venezianischen Karnevals offenbart.
Mehr auf die hohen Cellolagen setzt dagegen Luigi Boccherini in seinem Es-Dur-Konzert, die auf Gebhardts Instrument ausgesprochen baritonal klingen. Das hat in seiner Glut und Sonorität etwas vom Feuer eines guten, in südlicher Sonne gereiften Rotweins! Mit leichtem Bogenstrich brennt der Solist ein Feuerwerk an akrobatischer Leichtigkeit ab, die schlichtweg staunen macht. Im Largo erweist er sich mit schmelzender Innigkeit erneut als ein intensiv gestaltender Gesangsszenarist. Nicht minder vorzüglich begleitet die Kammerakademie, die sich mit virtuosem Gleichgewicht bereits in die Galanterien der ausgedehnten Exposition gestürzt hatte.
Die Krone raffinierten Musizierens setzen sich die Kammerakademisten durch ihre hinreißende Wiedergabe der Sinfonie Nr. 57 D-Dur von Joseph Haydn selbst auf. Den Wechsel von Forte und Piano betrachten sie als ein konstitutives Element und stellen es deshalb sehr betont heraus. Auch zwischen der Adagio-Exposition und dem sich anschließenden Allegro (das jedoch als Presto auf die Klangreise geschickt wird) klaffen solche Gegensätze. Mit geradezu diebischer Freude führen sie immer wieder jenen Pizzicato-Takt aus, der die Variationen des Adagio-Satzes verklammert. Akzentuiert und auftrumpfend tanzen die Musiker das Menuett, während sie das Prestissimo (zum Allegro vivace degradiert) in fast unablässiger Bewegung halten. Dem überraschungsreichen Stück fällt viel Beifall zu – auch ohne adventliche Beglaubigung.
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