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Kultur: Hinreißende Sprachlust

Fühmann-Märchen „Ein Sommernachtsraum“ im Foersterschen Garten vorgelesen

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Fühmann-Märchen „Ein Sommernachtsraum“ im Foersterschen Garten vorgelesen Von Peter Buske Kommt der vorwitzige Kobold Puck mit ins verwechslungsreiche Spiel eines Shakespeare-nahen „Sommernachtstraumes“, rasselt das Tambourin einen kecken Rhythmus zu den Melodieeinfällen von Jacques Ibert (1890-1962). Doch nicht nur an solchen Passagen verbindet sich die Musik mit dem vorgelesenen Text auf vergnügliche, gefühlsverstärkende und unterhaltsam-illustrierende Weise. Mit passenden Sätzen aus Sonaten von Antonio Lotti, Johann Joachim Quantz und Gaetano Pugnani wollen Flöte (Christiane Hoch), Gitarre (Brigitte Breitkreuz) und Violoncello (Karin Liersch) das Vorlesen des „Sommernachtstraum“-Märchens von Franz Fühmann (1922-1984) angenehm auflockern. Die Literaturfreaks werden auf ihre Kosten kommen, die Gartenfreunde nicht minder. Schließlich hat der Potsdamer Urania-Verein erneut in den Hausgarten von Marianne Foerster geladen, wo am Wochenende eine weitere, der großen Nachfrage wegen zweifach absolvierte Folge der beliebten Reihe „Im Garten vorgelesen“ stattgefunden hat. Rechtzeitiges Erscheinen sichert die besten Sitz- und Sichtplätze auf spartanischem Gartengestühl unter ausladendem Lärchengeäst. Wird es vom leicht wehenden Wind durchrauscht, entsteht ein besonderer Klang – mehr pfeifend denn (laub-)raschelnd. Doch ehe man sich dem Wohlgefühl für die Hörsinne hingibt, gilt es die Sehsinne zu erquicken. Interessiert durchstreift die 150-köpfige Schar das Foerstersche Anwesen, auf der Suche nach Floras legendären Kindern, denen Vater Karl Foerster nahezu Kultstatus zuerkannt hat: Phlox. Namen wie „Schneeferner“, „Elfe“, „Düsterlohe“, „Eva Foerster“, „Blue Paradise“ oder „Wennschondennschon“ zergehen dem Kenner und Liebhaber sozusagen auf der Zunge. Dann die Hinwendung zum mittlerweile legendären Senkgarten, dessen formale Gestaltung sich der Symmetrie verschrieben hat. Links und rechts stehen gelbe Taglilien und blauer Agapanthus in prächtiger Blüte, streben Kandelaber-Ehrenpreis und Purpurdost in die Höhe. Der mittig gelegene Seerosenteich wird teilweise von japanischem Ahorn überschattet. Schnell noch einen Blick auf weißblühenden Entenschnabelfelberich, diverse Eisenhüte und (einjährige) Spinnenpflanzen geworfen, dann gleitet der wolkenlose Sommertagtraum fast unmerklich in seine literarisch-musikalisch beschworene Sommernachtstraumvariante. Mit einem zartgliedrigen Lotti-Largo, dem ein unbeschwertes Allegro folgt, stimmt sich der späte Nachmittag ganz auf seinen naturalen und künstlerischen Zauber ein. Sieben Jahre Krieg zwischen Elfenkönig Oberon und Feenkönigin Titania haben den Streithähnen mächtig Spaß bereitet, für die Menschen war''s eher eine Plage – ihnen kamen die Jahreszeiten durcheinander. Wie den Streit schlichten? Der athenische Herzog Theseus und Amazonenherrscherin Hippolyta versuchen es, laden zu ihrer Hochzeit. Die Athener stürzen sich in die entsprechenden Vorbereitungen – was merkwürdigerweise von einem Adagio (von Lotti) begleitet wird. Den Literaturfreunden ist der Fortgang der Geschichte sicherlich wohlbekannt. Dennoch versteht es Vorleser Klaus Büstrin, ihnen neue Dimensionen des Sujets zu erschließen. Doch er ist nicht nur ein exquisiter Märchenerzähler, sondern weiß mit differenzierter Sprachbravour das Geschehen hinreißend plastisch zu gestalten. Köstlich zu hören, wie der aktionistische Puck für mannigfache Verwechslungen und Verwicklungen sorgt; wie die Liebesqualen der kleinen und drallen Hermia, der rankschlanken Helena, dem blonden Lysander und dem schwarzlockigen Demeter zu schaffen machen; wie Helena und Hermia als Zicken ihre Verbalschlacht austragen; wie die treuherzige Handwerkerriege um Zettel sich ein Stück einstudiert, wobei ein jeder den Löwen spielen möchte. Der witzigen, märchenpoetischen Sprache Franz Fühmanns ist Klaus Büstrin ganz nah. Die Zuhörer spüren unmittelbar, mit welcher hinreißenden (Sprach-)Lust und nachvollziehbaren Freude er sich in die literarische Vorlage versenkt. Der Dichter wird es ihm danken. Den aufmerksamen Zuhörern, zu denen auch die verlässlich aufspielenden Musikerinnen gehören, entgeht kein Zwischenton. Nach falschen Zungenschlägen forschen sie vergebens. Dem Hörvergnügen danken sie mit anhaltendem, anerkennendem Beifall. Nächste Garten-Vorlesung am 19. 8., 19 Uhr, im Obst- und Blumengarten von Anne und Lutz Andres, Russische Kolonie 12.

Peter Buske

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