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Klar, Rolf Zacher ist eine coole Sau. War er ja damals schon.

© dpa

Rolf Zacher im Nikolaisaal: Hinter dem Notenständer verschanzt

Rolf Zacher ist ein sympathisches Unikum, keine Frage: Ein bisschen mehr Professionalität wäre jedoch angebracht. Am Ende rettete ihn das wohlgesonnene Publikum.

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Erfolg, Absturz, Heroin, Knast, Comeback: dass so ein Leben Spuren hinterlässt, kann niemand abstreiten. Und gerade Rolf Zacher hat genug erlebt, so viel, dass es für eine Autobiografie reichte und ein großartiges Musikalbum mit dem griffigen Titel „Danebenleben“. Dass Zacher aber nicht nur danebenlebt, sondern auch mal musikalisch danebengreift, zeigte er am Samstag. Sicher, Zacher ist ein Unikum, ein Sieger der Herzen, aber wer so unvorbereitet ein zweistündiges Konzert gibt, den kann auch das Filmorchester Babelsberg nicht mehr retten. Das kann dann nur noch das Publikum – das ihm aber gnädig gesinnt war.

Nachdem Rolf Zacher sich gleich zu Anfang nur kurz auf der Bühne zeigte – möglicherweise eine Geste der Publikumsberuhigung -, um kurz darauf wieder zu entschwinden, durfte sich erst mal der Dirigent und musikalische Leiter Bernd Wefelmeyer in Szene setzen. Dass das Orchester mit dem Intermezzo aus „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni eröffnete, das vor Pathos triefte, konnte man ja vielleicht noch als Ironie verbuchen. Aber nein, die Auswahl an Intermezzi war auch im Laufe des gut zweistündigen Konzertes kein Highlight: Es wurde sogar noch pathetischer. Dirk Michaelis‘ „Als ich fortging“ war fast schon fragwürdig, der dicke Vogel wurde jedoch definitiv mit der streichertriefenden Beatles-Schmonzette „Yesterday“ abgeschossen. Was bitte war das denn für eine seltsame Trauerfeier? Na gut, wenigstens Nino Rotas Ohrwurm-Klassiker der Titelmelodie von „Der Pate“ ging da noch augenzwinkernd durch.

Rolf Zacher plauderte gleich aus dem Nähkästchen, das ist genau das, was er am besten kann: Geschichten erzählen. Dass dieses Narrative mit dem kodderigen Charme zum Markenzeichen werden kann, merkt man auch an den Geschichten, die er – wenn auch etwas zu schnell und zu vernuschelt – vorliest, ausschmückt und ergänzt. Ein tiefsympathisches Stehaufmännchen. „Lesen oder Musik?“, wird Zacher im letzten Drittel des Auftritts fragen, und wie aus einer Kanone geschossen hallt ein bestimmtes, tiefstimmiges „Lesung!“ zurück. Und dieses kleine Ereignis trifft genau den Kern der Sache:

Zacher kann nicht singen. Das ist aber nicht schlimm, ein Orchester fängt das allemal auf, seine Texte sind dafür tiefsinnig und ehrlich. Das nützt jedoch gar nichts, wenn man so unvorbereitet wie Zacher auf eine Bühne geht. Sicher, wochenlanges Üben mit dem Filmorchester war bestimmt nicht drin, aber dafür arbeitet man ja mit Profis zusammen. Wie unprofessionell es aber ist, keine einzige Textzeile seiner eigenen Songs zu können und sich verkrampft hinter einem Notenständer zu verschanzen, muss man einer Ikone wie Zacher jedenfalls nicht erst erklären. Ein Schauspieler, der seine Texte nicht kennt? Dabei war er so zaghaft und leise wie ein Schulkind in einer unangekündigten Prüfung. Och man, Zacher!, wollte man fast rufen, jetzt sing schon! Aber nein, er brach lieber den Song ab und stammelte „Das war nichts, den Refrain müssen wir noch mal machen“. Zacher war kaum wahrzunehmen, er saugte sich an den Textzeilen fest, wobei man an der Lautstärke genau merkte, wenn ihm wieder was einfiel oder er den Text entziffern konnte. Hätte man ihm den Notenständer weggenommen, wäre er womöglich nach vorneüber gefallen.

Und auch Dirigent Bernd Wefelmeyer ist die Nervosität anzumerken, er unterbricht Zacher, nimmt ihm das Mikro ab und hält eine Laudatio auf Falk Breitkreuz, der sich mit einem Saxofon-Solo in die Mitte spielen darf. Und was macht Zacher derweil? Schlappt von der Bühne und verlässt diese durch eine Seitentür. Gut, vielleicht musste er wirklich mal, aber im Laufe des Konzertes wird er sich mehrmals verdrücken, und zwar immer genau dann, wenn das Orchester ohne ihn spielt. Das geht so: schnell noch ein deplatziertes „Singing in the rain“ als Instrumental reingebastelt, und Zacher tänzelt schon wieder zur Tür - und weg ist er! Ganz als ob er sich mal eben neben der Bühne einen Kurzen genehmigen müsste. Dabei ist er doch trocken, wie er beteuerte.

Das Ärgste am Konzert ist jedoch die fehlende Entspannung: Man will sich zurücklehnen und den Weisheiten des Lebemanns lauschen, aber fiebert unweigerlich mit, ob er den Text zusammengepuzzelt bekommt. Und einmal klappt es dann doch: Zachers Text(er)kenntnis setzt aus, er sucht in den Blättern, das Orchester spielt weiter: Und genau da sagte ein Blick ins Publikum alles. Verschränkte Arme oder die Hände am Gesicht. Mehr muss man nicht sehen, um zu begreifen. „Ich kann die Texte ja eigentlich“, log Zacher larmoyant ins Publikum. Und wäre er nicht so ein knuffiger Typ, den man einfach liebhaben muss, hätte der Abend auch ganz anders enden können. Das war knapp, Rolf Zacher, und zwar ganz schön knapp. Möge er sich bei einem milden Publikum bedanken.

Oliver Dietrich

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