Kultur: Hip Hop mit Hirn
„Progressive Beats“ nun regelmäßig im Spartacus
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„Hast Du die Nudeln schon aufgesetzt, André?“ Während Jacob und André, die Veranstalter von „Progressive Beats“ über ihre Veranstaltung reden, gilt es nebenbei höhere Aufgaben zu bewältigen, als einem neugierigen Reporter Fragen zu beantworten. Drei Hip Hop Crews werden im Laufe des Abends die Bühne des Spartacus besteigen. „Und die sollen doch gut gestärkt sein“, sagt André während er in einem riesigen Topf Pilz-Sahne-Soße rührt.
Tatsächlich wirken Aes&Bob sehr entspannt, als sie als erster Act zu den Mikrophonen greifen. Nach ihnen stehen noch Schlagzeiln und Disco auf der Bühne. Zur Auftaktveranstaltung der Reihe, die nun alle zwei Monate stattfinden soll, setzt man auf Hip Hop aus der Hauptstadt. Den Machern ist wichtig, dass die Akteure nicht nur ihre Stimme gekonnt einsetzen, sondern auch ihr Gehirn. „Was im kommerziellen Mainstream zur Zeit angeboten wird, ist größtenteils einfallslos und hat kein Niveau“, sagt André. „Billiges Gangster-Zeug halt“, ergänzt Jacob. „Progressive Beats“ läuft in Kooperation mit „Hip Hop Partisan“ einem losen Zusammenschluss von Künstlern, die sich das gemeinsame soziale Engagement auf die Fahne geschrieben haben. André und Jacob sind vor kurzem von einem Projekt aus Brasilien zurückgekehrt. Dort haben sie mit brasilianischen Musikern in den Favelas, den Armenvierteln der Großstädte, Musik gemacht. „Und dann hört man die Rapper in Deutschland über ihr Ghetto rappen. Das kann man doch nicht ernst nehmen“, sagt André. Die Rapper müssten mehr Verantwortung für ihre Worte übernehmen. Deswegen werden von der Spartacus-Bühne ganz sicher keine sexistischen oder rassistischen Texte zu hören sein.
Mit dem Heranholen von Crews aus ganz Deutschland sollen auch nicht die Rivalitäten unter den Künstlern auf der Bühne des Spartacus gebündelt werden. „Im Hip Hop heißt es leider viel zu oft: Jeder gegen Jeden. Wir wollen Konkurrenz abbauen und lieber den Austausch zwischen Künstlern anregen“, so André. „Hip Hop ist zu einer Konsum-Kultur geworden“, sagt André und Jacob setzt fort: „Wir wollen die ursprünglichen Wurzeln von Hip Hop wieder freilegen und die Leute zum Mitmachen und Nachdenken anregen.“ Deshalb sind auch Open-Mic-Sessions geplant, bei denen mutige Rapper aus dem Publikum sich und ihre Texte ausprobieren können.
Doch „Progressive Beats“ ist nicht nur eine Konzertreihe. Lesungen, Vorträge und Filmvorführungen erweitern den Rahmen des Programms und hoffentlich das Wissen der Besucher. „Die Leute sollen etwas über die Geschichte dieser Kultur erfahren. Die jüngere Generation kann doch mit Filmen wie „Wild Style“ oder „Beat Street“ kaum noch etwas anfangen“, sagt André. Da besteht eine Menge Nachholbedarf und Potenzial, das Themenspektrum nach und nach auszudehnen. Eine der kommenden Veranstaltung beschäftigt sich mit den Frauen im Hip Hop. Ein spannendes und, wie die Macher finden, völlig unterrepräsentiertes Thema.
Vielleicht sehen und hören wir demnächst auch Andrés Crew „Red Star Soundsystem“ im Spartacus. Dann wird es neben gesellschaftlichen und politischen Themen möglicherweise auch einen Track über die hohe Kunst des Nudelkochens geben. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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