zum Hauptinhalt

Kultur: Hochkarätig

Holly Cole brachte den Blues in den Nikolaisaal

Stand:

Das hatte schon etwas von doppelter Spannung: Holly Cole, die große kanadische Jazzsängerin mit ihrer Band am Dienstagabend im Nikolaisaal, und das ganze noch als Live-Ausstrahlung bei Radio Eins zu hören – da ging etwas hinaus in die Welt, was die Spannung nochmals angenehm hob. Und so mischte sich das erwartungsvolle Murmeln der Vorfreude mit den Radio-Eins-Nachrichten und dem Wetterbericht, der kühle Nächte versprach – bevor Holly Cole dann die Bühne betrat.

Die Kanadierin Holly Cole ist schon lange keine Unbekannte mehr, seit 25 Jahren begeistert sie schon die Jazzwelt mit ihren bluesigen Adaptionen bekannter Songs von Künstlern wie Tom Waits und Captain Beefheart, aber auch mit eigenen Stücken, wie sie auf ihrem neuen Output „Night“ zu finden sind und natürlich auch im Konzert nicht fehlen durften. An diesem Potsdamer Abend sang Cole sich quer durch die Jazzgeschichte, mal minimalistisch, mal in mitreißendem Swing, fühlte sich aber in den blueslastigen Stücken spürbar am wohlsten. Und sie genoss es sichtlich, im Zentrum zu stehen und für ihr Publikum zu singen, ohne dabei jedoch divenhaft oder sogar exzentrisch zu erscheinen. Im Gegenteil, Holly Coles Ausstrahlung ist derart unprätentiös, dass durch ihre leichtfüßig-solide Art ihre rauchige Stimme, die ab und zu sogar ein wenig an Shirley Bassey erinnerte, einfach noch besser betont wurde. Cole wirkte natürlich und bar jeder Exzentrik, die man vielleicht bei einer Jazzsängerin ihres Kalibers erwarten könnte – einfach nur tragend-beschwingter Jazz, der von Coles Stimme lebte, ohne sich profilieren zu müssen.

Beeindruckend war auch ihre Band, wobei die Szenerie bei den langsamen Stücken stehen zu bleiben und nur Schlagzeuger Davide DiRenzo im Lichtkegel sitzend mitzutanzen schien. Währenddessen sorgte Pianist Aaron Davis am Flügel für lockere Begleitung, Kontrabassist Marc Rogers wieselte über das Instrument und John Johnson übernahm an Saxofon, Klarinette und Querflöte die Soloparts – und erntete Szenenapplaus. Die hochkarätige Band setzte sich nicht nur aus Rekruten zusammen, sondern es handelte sich schlichtweg um Musiker, die sich zusammengefunden hatten, das merkte man sofort. Cole spielte mit den Anwesenden, setzte sich mit auf Aaron Davis’ Hocker und lehnte sich an ihn, legte DiRenzo eine Hand auf die Schulter oder fixierte einfach jemanden aus dem Publikum, während sie sang – und setzte manchmal ein verschämt-verschmitztes Grinsen auf, das ihren Blues noch emotionaler machte.

Und überhaupt war es der Blues, dem Cole den Vorzug gab und ihren eigenen Stempel aufdrückte, etwa zur Nancy-Sinatra-Adaption „You only live twice“, zum Johnny-Nash-Hit „I can see clearly now“ oder zu Doris Days „Que será“. Mitreißend, bezaubernd, wie Cole es schaffte, dass man manchmal einfach nur die Luft anhielt, beim nächsten Song aber vom Sitz aufspringen wollte. Ein wunderbar zusammengestelltes Programm einer hochkarätigen Sängerin. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })