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Kultur: Holzhammermäßig

The T.C.H.I.K. im Waschhaus

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Klar, das ist schon ganz schön trashig und irgendwie auch Holzhammermetode: Immer schön draufschlagen und um jeden Preis auffallen. Aber das funktioniert: Vor dem Waschhaus hatte sich in der Nacht zu Sonntag eine riesige Schlange gebildet, der Konzertsaal war so brechend voll, dass niemand mehr hineingepasst hätte. Ausverkauftes Haus für die Berliner Electropop-Formation The Toten Crackhuren im Kofferraum, kurz The T.C.H.I.K.

Die Band um die Sängerinnen mit so illustren Namen wie Netja Triebeltäter und Luise Fuckface haben es ja nicht nur mit ihrem plakativen Namen geschafft, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zurzeit sind die Crackhuren, wie sich selbst ganz selbstbewusst bezeichnen, auf ihrer „Mama ich blute“-Tour, die sich ihrem Durchbruch im vergangenen Jahr anschließt. Der Bundesvision Song Contest, in dem sie für das Bundesland Sachsen antraten, brachte ihnen nicht nur den neunten Platz, sondern auch eine gehörige Portion Aufmerksamkeit. Vielleicht ist es ja auch das, was die Band transportiert: auffallen um jeden Preis. Ein sauberes Schulmädchen-Newcomerimage steht dabei jedenfalls im Weg. Was die Crackhuren erreichen wollen, war nicht weniger als ein neues weibliches Selbstbewusstsein – und die selbstironische Spielerei mit Vorurteilen: Es gehört schon viel Frechheit dazu, sich selbst als „Straßennutten“ zu bezeichnen. Aber Frechheit siegt.

Musikalisch sind The T.C.H.I.K. jedoch nicht die große Durchbruchnummer, treibende Electrobeats und ein schrilles Diskothekenimage reichen in der Regel nicht aus, um den Hund hinter dem Sofa hervorzulocken. Warum das trotzdem funktioniert? Weil die Symbiose aus tanzbaren Beats und rotzigen Texten nun mal einschlägt. Das Waschhaus-Publikum machte jedenfalls eine gigantische Party aus dem Konzert, schweißtreibendes Herumspringen inklusive. Die Band selbst – übrigens ausschließlich männlich – blieb im Hintergrund und ließ die acht Frauen auf der Bühne herumspringen. Und es war ausgesprochen schwierig, sich da nicht anstecken zu lassen.

Ob das ganze Spektakel jetzt Punk ist oder nicht, das sei dahingestellt. Auf alle Fälle ist es spektakulär, wie die Band sich selbst persifliert. Und das liegt weniger an den Texten, die eine Mischung aus ordinären Elementen und gesteigertem Selbstbewusstsein transportieren, als an den treibenden Beats und wummernden Bässen, die den Saal zum Kochen brachten. Man konnte das Ganze natürlich wunderbar infrage stellen, oder aber auch einfach das machen, was alle machten: sich mitreißen lassen. Dabei war es auch gar nicht wichtig, die Texte zu verstehen – die sowieso von den Beats weggedonnert wurden. Am besten fuhr man tatsächlich, wenn man sich in schwitzendes Herumspringen stürzte.

Nun ja, das Ganze sinnvoll zu finden, bleibt jedem selbst überlassen. Hier geht es jedenfalls um Spaß, nichts mehr und nicht weniger. Und Humor kann eben auch mal ganz gut funktionieren, wenn man ihn mit der Holzhammermethode verwendet. Irgendwie verzeiht man Frauen das Grobschlächtige noch eher als Männern. Gerade wenn so viel Leidenschaft im Spiel ist. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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