Kultur: Hommage an Brahms mit der Kammerakademie
„Da habe ich mich von meiner letzten Liebe losgemacht", bestätigt der 31-jährige Johannes Brahms gegenüber einem Freund anno 1865, nachdem die Gerüchte nicht verstummen wollen, er habe mit der Tonfolge a-g-a-h-e im Seitenthema des 2. Streichsextetts G-Dur op.
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„Da habe ich mich von meiner letzten Liebe losgemacht", bestätigt der 31-jährige Johannes Brahms gegenüber einem Freund anno 1865, nachdem die Gerüchte nicht verstummen wollen, er habe mit der Tonfolge a-g-a-h-e im Seitenthema des 2. Streichsextetts G-Dur op. 36 seiner Liebe zu Agathe von Siebold ein Denkmal setzen wollen. Leidenschaftsbewegt geht es in ihm zu. Doch auch glückliche Wege zwischen männlicher Tatkraft und empfindungstiefem Seelenerguss gilt es zu beschreiten. Wer sich auf diese Erkundungen einlässt, wird über den persönlichen Komponieranlass hinaus tiefe Einblicke in allgemein-menschliches Gefühlsleben gewinnen können. Wie bei der jüngsten „Stunde der Musik“ im ausverkauften Foyer des Nikolaisaals, in der Mitglieder der Kammerakademie Potsdam des Meisters beide Streichsextette in chronologischer Abfolge aufführen. Ein origineller Einfall zweifellos, dafür mit zwei unterschiedlichen Besetzungen anzutreten, jeweils gemischt aus kammerakademischen Pultersten und Tuttispielern. Das gegenseitige Anspornen zeitigt die schönsten Ergebnisse. Im steten Blickkontakt zueinander, musiziert man hellwach, trifft den leicht verhangenen Brahmssound vorzüglich. Mit einem Gesang gleichsam aus voller Brust beginnt das erste Sextett B-Dur op. 18 des 27-jährigen Komponisten. Klassik im romantischen Gewand atmet die Einleitung des Allegro ma non troppo, die von den Violoncelli (Anna Carewe/Anke Heyn, die mit großem, vollen und charaktervollem Ton aufhorchen lässt) dominiert wird. Dann schieben sich die beiden Geigen (Matan Dagan/Kristina Lung) ganz allmählich in die Klangschichten hinein, ein überaus prägnant ausgespielter Effekt. Um in leidenschaftlichen Passagen die Spannung zu verstärken, spielt man nah am Steg; entfernter, um inbrünstiges Singen ohne Forcieren mit ganz weichem Ton zu vollführen. Ein ernstes, liedhaftes Thema in der Bratsche (Marion Leleu mit prägnanter Intensität, assistiert von Jutta Geitmann) eröffnet den Variationensatz, der alle Möglichkeiten des sechsstimmigen Satzes auskostet. Herrlich, wie die Sechzehnteltriolen kichern und purzeln; köstlich, wie die Celli zu den Gewitterzuckungen der anderen Instrumente grollen. Dynamisch beherrschen die Musiker den weit ausgreifenden Wanderschritt genauso wie das sehnsuchtsvolle Suchen auf tastenden Füßen. Ausgelassen und prononciert im Rhythmischen tollt der Sechserpack durchs Scherzo, setzt dem Rondo-Finale schließlich seinen melodisch freundlichen Schlusspunkt. Bis auf eine Ausnahme haben in dieser Besetzung die Frauen das Sagen. Im zweiten Sextett G-Dur op. 36 ist es umgekehrt. Diese Spielgemeinschaft mit Peter Rainer und Isabel Stegner (Violine), Christoph Starke und Ralph Günthner (Bratsche) sowie Jan-Peter Kuschel und Christoph Hampe (Violoncello) setzt weniger auf den charaktervollen und sofort ins Ohr springenden Ton, sondern auf einen universalen, den Einzelnen integrierenden Mischklang. Doch auch bei ihnen geht es nicht weniger klangschön und ungestüm zu. Freundlich und kraftvoll entfalten die Instrumentalisten jenen unverkennbaren Brahmsstil, den zu genießen alle Anwesenden bereit sind. Da kann sich die saftige Rhetorik entsprechender Hinwendung erfreuen, werden die rhythmischen Reize deftig ausgespielt und Klangfarben reizvoll eingesetzt. Nachdem der süßen Erinnerung an Brahmsens Verflossene im Adagiosatz Genüge getan ist, geht es sinnend in die pastorale Glückseligkeit. Der Beifall danach prasselt nunmehr besonders heftig. Peter Buske
Peter Buske
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