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Kultur: Hommage an den „Dirty Old Man“ Michael Gerlinger las Charles Bukowski

Im Prinzip ist Charles Bukowskis Literatur die Weiterführung des Dandytums Ende des 19. Jahrhunderts, nur konsequenter – letztlich im Gossenslang, ganz unten, aber nie um Bonmots verlegen.

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Im Prinzip ist Charles Bukowskis Literatur die Weiterführung des Dandytums Ende des 19. Jahrhunderts, nur konsequenter – letztlich im Gossenslang, ganz unten, aber nie um Bonmots verlegen. Bukowskis Literatur brach Anfang der 60er-Jahre zuverlässig mit dem Paradigma des Schöngeistigen, wurde aber zu einer literarischen Strömung, die heute noch stilprägend für viele Schreiber ist, nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Nach seinen Fontane-Lesungen hat sich der Potsdamer Schauspieler Michael Gerlinger nun den amerikanischen Schriftsteller – der 1920 als Karl Heinrich Bukowski im mittelrheinischen Andernach geboren wurde und dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 20. Mal jährte – vorgenommen und las am Sonntagabend Auszüge aus seinen Texten in der Waschbar in Potsdam-West. Er sei recht spät zu Bukowski gekommen, sagt Gerlinger. Aber der Name sei ihm schon aus seinen wilden Jugendzeiten ein Begriff.

Bukowski selbst wuchs in armen Verhältnissen auf, als ständige Zielscheibe seines trinkenden und prügelnden Vaters. In den 40er-Jahren versuchte er sich erfolglos als Schriftsteller und Journalist, ohne sesshaft zu werden, schlug sich als Gelegenheitsarbeiter durch und landete wegen Trunkenheit im Gefängnis und in der Psychiatrie. Anfang der 60er gelangen ihm erste literarische Erfolge, schließlich machte sich Bukowski mit seiner schonungslosen Erzählweise in der Ich-Perspektive einen Namen.

Gerlinger liest Bukowski mit der notwendigen Bräsigkeit in der Stimme, wobei die Texte an sich schon ihre Wirkung entfalten: Kurze, präzise Sätze, deren Pointen sich in den Details finden, Geschichten von Verlierern, die sich als Gewinner fühlen. Dass Bukowski in den stark autobiografisch eingefärbten Erzählungen maßgeblich sein Alter Ego zu Wort kommen lässt, ist ja auch kein Geheimnis, erschuf er sich doch selbst sein Pseudonym Henry Chinaski. Seine Figur agiert nach außen hin leidenschaftslos, ohne selbstgerecht zu werden: Chinaskis Handeln ist nachvollziehbar. „Ich saß da“, „Ich trank“, „Ich onanierte“, lauten die prägnanten Kernsätze der Kurzgeschichten und Romane.

Gerlinger liest den „Dirty Old Man“, wie Bukowski sich gern nannte, mit einer Ausdauer, die den Zuhörer weder zu früh aus der Kontinuität der Erzählung wirft noch ihn langweilt – und er tut gut daran, die Finger rechtzeitig von den Gedichten zu lassen, sind doch die Kurzgeschichten viel geeigneter, das Publikum zu fesseln. „Die kopulierende Nixe von Venice, Kalifornien“ etwa, eine aus seinem Zyklus „Fuck Machine“ stammende Erzählung über zwei Saufbrüder, die sich in eine tote Frau verlieben und sie – nachdem sie mit ihr geschlafen haben – im Meer entsorgen. Bukowski erzählt die Geschichte zärtlich-romantisch als auch brutal-detailliert, Gerlinger liest sie passend unaufgeregt in sein Mikrofon: „Ich hielt das für Liebe und beschloss mitzumachen“, heißt es dort. Auf Bukowski muss man sich einlassen können. Oliver Dietrich

Nächste Bukowski-Lesung am Sonntag, dem 16. November, 19 Uhr, Waschbar, Geschwister-Scholl-Straße 82. Der Eintritt kostet 7 Euro.

Oliver Dietrich

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