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Kultur: Hommage mit einigen Hindernissen Eröffnung der Potsdamer Bachtage in Nikolaikirche

Natürlich sollte es festlich zugehen, wenn in der Nikolaikirche die Bachtage beginnen und die am gleichen Tag erfolgte Weihe der Altarorgel für Hochstimmung sorgt. Ein musikalisch passendes Programm mit viel Trompetengeschmetter und zahlreichen orgelsolistischen Zutaten sowie die Mitwirkung der Kammerakademie Potsdam unter Leitung von Festivalchef und Nikolaikantor Björn O.

Natürlich sollte es festlich zugehen, wenn in der Nikolaikirche die Bachtage beginnen und die am gleichen Tag erfolgte Weihe der Altarorgel für Hochstimmung sorgt. Ein musikalisch passendes Programm mit viel Trompetengeschmetter und zahlreichen orgelsolistischen Zutaten sowie die Mitwirkung der Kammerakademie Potsdam unter Leitung von Festivalchef und Nikolaikantor Björn O. Wiede will dafür bürgen. Doch die Freude wird ein wenig getrübt durch die Mitteilung, dass Tenor Martin Petzold bei seiner Anreise in einen Autounfall verwickelt sei, in der Bach-Kantate Nr. 29 daher nicht mitsingen werde, man aber auf seine Mitwirkung in Haydns Orgelsolo-Messe hoffe. Als die Kantate an der Reihe ist, trifft der Sänger fast wie aufs Stichwort ein, um seine Arie „Halleluja, Stärk und Macht“ anzustimmen. Der Dirigent ist darob arg überrascht, redet kurz mit ihm, lässt ihn jedoch nicht singen. Warum nicht? Wir erfahren es nicht. Passte er nicht mehr in den Zeitplan? War die Begleitung nicht geprobt? Der Tenor scheint erfahren genug, so eine Arie glattweg vom Blatt zu singen. Die nächste Peinlichkeit lässt nicht lange auf sich warten. Zu den Gesangssolisten gehört auch Björn O. Wiede, der in Bachs Leipziger Ratswahlkantate „Wir danken Gott, wir danken dir“ BWV 29 (und später in der Haydn-Messe) die Basspartie singt. Ach, hätte er es bloß nicht getan. Das Rezitativ „Gottlob! Es geht uns wohl!“ trägt er reichlich deklamatorisch und stimmbrüchig vor. Dagegen breitet Sopranistin Christine Wolff in ihrer Arie „Gedenk an uns“ die Hörgemeinde mit ihrem schwingenden und schwebenden Gesang, der legatoliebliche Bögen zu spannen versteht, auf (Haydn-) Kommendes vor. „Vergiss es ferner nicht“, merkt die Altistin Ulrike Bartsch an, deren Recitativo e Aria von der Orgel mit silbrig schimmernden Registern anmutig begleitet wird. Der Nikolaichor singt quasi in gottesdienstlicher Funktion, hinter die Bach-Noten zurücktretend. Die Kammerakademie Potsdam strahlt nach allen Regeln barocken Musizierens. Das stellt sie bereits in der einleitenden Bachschen (Ouvertüren-)Suite D-Dur BWV 1068 unter Beweis. Es wird in zügigen Tempi straff artikuliert. Drei hohe (Bach-)Trompeten strahlen festlichen Glanz aus. Lebendigkeit, federndes und präzises Klingen sind angesagt. Dadurch ist auch dem berühmten „Air“ alle Sentimentalität ausgetrieben: kurz phrasiert, empfindsam und schlicht erklingt es. Die anderen Tanzsätze (Gavotte, Bourree und Gigue) erhalten die ihnen gemäßen Charakteristika. In der abschließenden Missa solennis in honorem Beatissimae Virginis Mariae in Es-Dur bezeugen die Kammerakademisten ebenfalls ihre spieltechnischen Stärken. Schon in der orchestralen Einleitung glänzt die neue Altarorgel mit klar zeichnendem Klang, den Istvan Ruppert dem zweimanualigen Instrument lustvoll entlockt. Der klassizistisch-nahe Prospekt passt sich dem Kircheninneren vorzüglich an und ein, und auch der Standort könnte besser kaum sein. Es scheint, als stünde die Orgel schon seit ewigen Zeiten dort! Jedem Satz verleiht sie eine reizvolle, vielgestalterische Klangfarbe. Bereits im Kyrie zeigt sich der Nikolaichor von seiner unausgeglichenen Seite. Während die Frauenstimmen geschmeidig, rund und wohlgefällig tönen, sind bei den Männerstimmen mannigfaltige Rauhigkeiten unüberhörbar. Zusammen klingt es eher erdverbunden denn jubilierend. Ein Eindruck, den man von der gesamten Wiedergabe gewinnt. Aus dem Solistenquartett schwingt sich Christine Wolffs Sopran sehr unangestrengt empor. Klarstimmig und konturenfest singt Martin Petzold den Tenorpart, wobei er das „et incarnatus est“ verhalten und ausdrucksinnig anstimmt. Ulrike Bartschs Alt lebt im „et ressurexit" buchstäblich auf. Björn Wiedes (Kantoren-)Gesang ordnet sich dem der anderen ein, ohne dabei solistische Qualitätsansprüche zu erheben. Dem Konzert fällt anhaltender Beifall zu.Peter Buske

Peter Buske

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