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Kultur: Hörhilfen bitte ausschalten Singakademie Potsdam im Nikolaisaal

Manche Chorwerke verlangen nach monumentaler Besetzung. Aber auch manche großbesetzte Singgemeinschaft bedarf entsprechender Chorwerke, um ihr Können gebührend ausstellen zu können.

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Manche Chorwerke verlangen nach monumentaler Besetzung. Aber auch manche großbesetzte Singgemeinschaft bedarf entsprechender Chorwerke, um ihr Können gebührend ausstellen zu können. Im Nikolaisaal, beim vereinten Auftritt von Sinfonischem Chor der Singakademie Potsdam und Philharmonischem Chor „Sine Nomine“ aus Braunschweig unter Leitung von Edgar Hykel, kam zusammen, was zusammengehört. Kurzum: Werk und Wiedergabe bedingten einander auf vortrefflichste Weise. Und in Zoltán Kodálys Kantate „Psalmus Hungaricus“ bedarf es schon einer gewissen Chormasse, um die Botschaft von sozialer Missstandsüberwindung und des Vertrauens auf Gerechtigkeit und Erlösung eindrucksvoll erklingen zu lassen.

Nach stürmisch einsetzendem Vorspiel mit kraftvollem Blechbläsereinsatz der Brandenburger Symphoniker setzt der Chor unisono mit der Passage „Als König David manch schwere Leiden“ ein, die im Verlauf des20-minütigen Berichts in vielerlei Variationen wiederkehrt. Leidenschaftsbewegt und durchschlagskräftig klingt diese freie Übersetzung des 55. Psalms, mit der Kodály ein lebendiges und farbenprächtiges Konzentrat aus Folklore und individuellem Stil schuf. Man singt es hingebungsvoll und natürlich auf Ungarisch, alle Achtung.

In Fortissimostellen verhärtet die „Knetmasse“ jedoch ziemlich schnell. Die kräftezehrende Tenorpartie ist bei Angelo Raciti und seiner strahlenden, jungheldischen Stimme gut aufgehoben. Ohne Schnörkel geht es bei ihm sofort und sehr direkt zur Sache. Er singt wie unter Hochdruckeinfluss: fordernd, wenn es um Strafe für die Heuchler und Verräter geht; innig, aber zu wenig differenziert, wenn es um Nachsicht und Errettung geht. Seine und der Sopranistin Jacqueline Treichler dramatisch geprägte Stimme führen denn auch das Solistenquartett in Anton Bruckners „Te Dem“ an. Tritt ihnen der Chor mit schlagkräftigem Einsatz hinzu, können Schwerhörige getrost ihre Hörhilfen ausschalten. Bei allem Willen zu stimmgewaltigem Lobpreis des Herrn: mitunter kann es beim Brio-Baden des Guten einfach zu viel sein. Mit vollem Einsatz sind auch Uta Grunewald (Alt) und Assaf Levitin (Bassbariton) bei der Sache.

Für den pianistischen Solopart in Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80 engagierte sich der Singakademie-Verein die 23-jährige chinesische „Wunderwaffe“ Haiou Zhang, der sehr energisch die längere Klaviereinleitung gleich einem effektvoll-brillanten Konzertstück in Angriff nimmt. Klar und kraftvoll ist sein Anschlag, wobei er immer wieder die Pranke des Tastenlöwen vorzeigt. Beschwörung scheint sein Spiel vermitteln zu wollen, ehe ihm das lautstark „herbeigerufene“ Orchester zu Hilfe kommt. Gleich einer inneren Eingebung fließt ihm die „gefundene“ Liedmelodie in die gelenkigen Finger – Lieblichkeit durchzieht das Revier. Doch ist und bleibt er ein Draufgänger, der mit virtuosem Effekt selbst da noch Prosa in die Tasten stanzt, wo Poesie eher am Platz gewesen wäre.

Kurz vor dem Choreinsatz huscht das Solistensextett aufs Podium, um den Text „Schmeichelnd hold und lieblich klingen“ letztendlich Lügen zu strafen. Beethovens „Kraft“-Herbeirufungen wirken leider nur herbei gezwungen. Das alles wirkt auf die Hörer ungemein stimulierend, sodass sie den Solisten mit Bravorufen gebührend feiern. Peter Buske

Peter Buske

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