Kultur: Hörwonnen
Orgelsommer mit Winfried Kleindopf
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Sie lieben Bach? Wie schön! Doch kennen Sie einen gewissen Percy Whitlock? Überhaupt nicht? Dann geht es Ihnen wie selbst den berühmtesten Fachlexika, die sich über den britischen Komponisten und Organisten ausschweigen. Einzig Wikipedia hält knappe Lebensdaten parat, verschweigt jedoch im Werkteil die vierteilige, mit 45 Minuten Spieldauer auch sehr redselige c-Moll-Orgelsonate (1936).
Nun also, am Mittwoch, beim fünften Konzert des Internationalen Orgelsommers, konnte man in der Friedenskirche seine Wissenslücken schließen. Zu danken ist’s Winfried Kleindopf, seit zehn Jahren als Kantor und Organist der St. Nikolaikirche in Döbeln tätig, der nebenher auch noch pädagogischen Aufgaben nachgeht. Bildungsbeflissen erläutert er zuvor den überaus zahlreichen Zuhörern seine Programmauswahl. Sie hat sich total der Klangsinnlichkeit verschworen.
Und die beginnt bereits mit Johann Sebastian Bach und seiner Sinfonia aus der Ratswahl-Kantate „Wir danken dir, Gott“ BWV 29. Dabei handele es sich um die doppelte Transkription eines Satzes aus der G-Dur-Partita für Violine solo, so Kleindopf. Bach habe sie dann zweitverwertet und zur Sinfonia für Orchester umgeformt, die dann wiederum der Franzose Marcel Dupré (1886-1071) für die Orgel bearbeitet. In dieser Fassung – und auf der sinfonisch disponierten Woehl-Orgel – vermeint man strahlende Trompeten, samtenen Oboenklang und das festlich-jubilierende Streichergewusel mit seinen Modulationswellen sowie das forsch voranschreitende Tutti zu vernehmen. Der glanzvollen Lesart der Bachadaption folgen Praeludium und Fuge f-Moll op.7, Nr.2 aus Dupréscher Originalfeder. Gedeckte, weiche Zungenstimmen sorgen genauso für Geheimnisvolles wie silbrig Tröpfelndes aus Diskantlagen für regenschauerliche Anmutungen. Ein signalartiges, kraftvoll sich entwickelndes Thema hält die Fuge bereit, die weich getönt, leicht tremolierend und leise eine geradezu intime Wirkung verbreitet.
Geprägt von einer geradewegs imperialen Klanggebärde erklingt abschließend das bereits erwähnte Whitlocksche Opus. Immer wieder an- und abschwellend zeigt sich dessen einleitender Satz. Nicht nur hierbei reizt Winfried Kleindopf das dritte, „französische“ Manual (Schwellwerk) mit seinen raffinierten, markanten Soloregistern nach allen Regeln der Organistenkunst aus. Es summt und grummelt, säuselt und brummt, seufzt und schnarrt, tönt erhaben und erhebend, schwillt durchs Hinzuziehen immer neuer Register zu immer größerer Lautstärke an, um schließlich farbenreich und differenziert im vollen Orgelwerk aufzuglänzen. Näselnde Zungenstimmen verleihen der Canzona die Stimmung wabernder Nebelschwaden wie in einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Kurz phrasiert, quasi mit kapriziösem Schlenderschritt, zeigt sich das Scherzetto. Gassenhauerische Einlagen wollen so etwas wie british humour verbreiten. Naja Fürs elegische Choral-Finale meidet der Organist kompakte Klangwirkungen, setzt dafür auf klare Strukturen auch bei dramatischen Zuspitzungen. In Erhabenheit und großer Ruhe klingt die Orgelsonate aus. Für den bravodurchtränkten Beifall bedankt sich Winfried Kleindopf mit Edward Elgars berühmtem „Pomp & Circumstance“-Marsch. Peter Buske
Das nächste Orgelsommer-Konzert findet am kommenden Mittwoch, 1. August, 19.30 Uhr, in der Erlöserkirche statt. Es spielt Giulia Biagetti aus Italien
Peter Buske
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