Kultur: Hugo fliegt
„Soireé eines SUBdandy’s“ im „freiLand“
Stand:
Bereits der Titel ist eine Herausforderung: „Soireé eines SUBdandy’s“. Der Ausflug ins Fremdwörterbuch bietet als Übersetzung die Abendgesellschaft eines übertrieben modisch gekleideten Herren, der es aber so richtig doch nicht drauf hat. Vielleicht ist der Titel aber irgendwie auch egal, denn das Stück, das am vergangenen Freitagabend im „freiLand“ zur Aufführung kam, hat sich dem Dadaismus verschrieben. Und diese Kunstrichtung der 1920er Jahre erlaubt dem Künstler ja bekanntlich alle Freiheiten.
Ganz so experimentell war die Aufführung um den Potsdamer Pantomimen Robert Große und dessen Begleiter, den Percussionisten Aaron Christ, der einen gelungenen Soundtrack lieferte, dann glücklicherweise aber doch nicht. Denn 40 Minuten Dadaismus wären nach dem anspruchsvollen Titel die zweite Herausforderung des Abends geworden. So aber stand das Stück vor allem für die Überheblichkeit und Langeweile eines jungen Mannes namens Hugo, der sein Leben gern einer gewissen Kontrolle unterwirft und dessen Grenzen austestet, und der überrascht ist, als er plötzlich vom Dirigierenden zum Dirigierten wird.
Sein Gadget, ein kleiner raffinierter technischer Gegenstand, der ihm treue Dienste leistet, bringt den Barmann, in dessen Etablissement Protagonist Hugo sich bevorzugt langweilt, immer wieder dazu, wie ferngesteuert an audiophilen Cocktails zu mixen. Doch Hugo, das Gesicht gespenstisch weiß geschminkt, will mehr und so ordert er sich kurzerhand ein schnittiges kleines Auto, das der Pantomime gestenreich mit den Händen in die Luft zeichnet. Der Sound vom Band verspricht eine Menge PS unter der Motorhaube und zu den Klängen einer italienischen Oper fährt der selbstverliebte Dandy durch die Straßen, bis auch das nicht mehr reicht.
Und so sucht er sich ein besonders hohes Haus, in das er sich, zur Erheiterung des zahlreich erschienenen Publikums, nur schwer Zutritt verschaffen kann. Schließlich aber ist er im Treppenhaus und nimmt Stufe für Stufe. Suggeriert die von Aaron Christ gespielte Ukulele, die hier musikalische Untermalung der beschwerlichen Besteigung improvisiert, erst noch einen gemächlichen Aufstieg, wird dieser schnell zum entschlossenen Dauerlauf. Dann folgt die Grenzerfahrung: der Dandy schnallt seine Flügel an und lebt den Traum vom Fliegen. Diese Erfahrung lässt sich kaum noch steigern und so geht von hier an alles abwärts. Das Gadget funktioniert nicht mehr, der Barmann bekommt plötzlich die Kontrolle über Hugo und hier wird es dadaistisch. Hugo lässt sich widerwillig und mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Barmann dirigieren. Das weißgeschminkte Gesicht des Pantomimen und dessen ausdrucksstarke Mimik lassen hier an einen Puppenspieler und seine Marionette denken. Plötzlich erscheint auf einem kleinen Stück Leinwand der Eingang zum Olymp. Dadaistische Zitate werden vom Band abgespielt und durch Robert Große in die Körpersprache übertragen. Eines handelt von der Kunst als magischem Stuhlgang und so agiert Hugo von nun an mit heruntergelassener Hose, wird mit seinem eigenen Narzissmus konfrontiert und findet sich plötzlich, leicht bekleidet und ähnlich einem Tarzan, fröhlich schwingend in einem von der Decke hängenden Geflecht aus Netzen wieder. Der Spielplatz wird schnell zur Qual, er kann den Netzen kaum entkommen, auch das Gadget hilft hier nicht und erst eine große Konzentration und Ruhe entlassen ihn schließlich doch in die Freiheit. Andrea Schneider
Andrea Schneider
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: