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Kultur: Huhn verleiht Flügel

Gefiedertes und Gerupftes in der „Geflügelschau“ der Potsdamer Kunstschule

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Gefiedertes und Gerupftes in der „Geflügelschau“ der Potsdamer Kunstschule Von Antje Horn-Conrad Nein, das Kulturhaus Babelsberg ist nicht auf den Hund oder besser: den Hahn gekommen. Im Vorfeld der am Freitag eröffneten „Geflügelschau“ hatte mancher befürchtet, das Haus habe seine Räumlichkeiten an einen Züchterverein untervermieten müssen. Das nicht! Und dennoch ist das ehrwürdige Rathausgebäude in diesen Tagen bis unters Dach mit Federvieh gefüllt. So kurz vor Weihnachten, dachte sich die Potsdamer Kunstschule, könne man dem bedrohten Geflügel ein wenig mehr Respekt zollen. Huhn, Gans und Fasan wurden kurzerhand zum künstlerischen Sujet erhoben und finden sich nun in Schwarz-Malereien, bizarren Drahtobjekten, skurrilen Tonfiguren und sinnträchtigen Installationen wieder. Beim Aufstieg durch das Treppenhaus weist ein überdimensioniertes Küken den Weg. Die erst fünfjährige Anastasia malte auf eine Tapetenbahn in klaren Konturen ein vorsichtig sich umschauendes Vogelkind. Das Kleinste ganz groß. Und das Graueste ganz bunt, wie die Kolonie schräger Vögel, die als farbenprächtiges Pappmasché-Imitat auf dem Treppengeländer hockt – gleich den Spatzen auf den Stromleitungen draußen im düsteren Dezember. Die Artenvielfalt in der Vogelwelt schien den Kunstschülern offenbar geeignet, verschiedene Charaktere zu überhöhen: eitle Paradiesvögel schmücken sich mit glitzerndem Geschmeide, der steife Storch stakst auf überlangen Beinen und der stets korrekte Pinguin trägt unterm Frack ein noch feineres Hemd mit silberner Krawatte. Dem schoflichen Charakter zweier Bösewichter namens Max und Moritz widmet sich eine Nachbildung ihres ersten Streichs, dem bekanntlich drei Hühner und ein Hahn zum Opfer fielen. Dass Witwe Boltes fürsorglicher Umgang mit dem lieben Federvieh gänzlich aus der Mode gekommen ist, thematisiert die Installation von Wibke Wodny: Ein Huhn im Knast, abgemagert und halb nackt, eingepfercht in einen viel zu kleinen Käfig. Dort, wo einst die Federn saßen, bohren sich Drahtspiralen durch die Haut. Interessant an der Arbeit der Potsdamer Kunstschule ist immer wieder die angewandte Methodenvielfalt, der Umgang mit verschiedenen Techniken und Materialien. Die Tuschezeichnungen auf Musterbögen für Raumtextilien, die der jüngste Malkurs ausstellt, sind hier eine echte Entdeckung. In die schematischen Kataloggrafiken hinein schrieben und illustrierten die Kinder ihre Variationen zum Lied von der „Vogelhochzeit“. Weiche Linien durchbrechen die formale Strenge. Witzige Miniaturen füllen quadratisch angeordnete Teppichproben. Farbmuster für Bodenbelege liefern das Parkett, auf dem die gefiederte Hochzeitsgesellschaft sich zum Tanze dreht. Auch die älteren Kunstschüler entfremdeten profanes Alltagsmaterial seinem Zweck, etwa in den Vogelkonstruktionen aus umgebogenen Drahtbügeln mit transparenten, zum Abflug ausgebreiteten Plastik-Handschuhen. Alles, was Flügel hat, beflügelte die Fantasie: Käfer, Schmetterlinge, Drachen, ein Pegasus und ein Stuhl, der sich zu Höherem aufschwingt. Von der Decke herab posaunen rosafarbene Engelchen, die an die ursprüngliche Idee dieser vorweihnachtlichen „Geflügelschau“ erinnern: Gibt es einen Himmel für gebratene Gänse? Und von wem beziehen die Engel eigentlich ihre Flügel? Kulturhaus Babelsberg, Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, bis 30. Januar, Eintritt frei

Antje Horn-Conrad

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