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Sie kann sehr laut sein, aber auch ganz weich und lyrisch. Tine Thing Helseth spielt auf der Trompete, als würde sie singen.

© Agentur/Colin Bell/EMI Classics

ZUR PERSON: „Ich fühle mich nicht als Exotin“

Die Norwegerin Tine Thing Helseth bläst beim Sinfoniekonzert im Nikolaisaal die Trompete

Stand:

Frau Helseth, Sie sagen, dass der Klang Ihrer Trompete Ihre Stimme sein soll, durch die der Zuhörer erfahren kann, was Sie im Inneren empfinden. Wie gelingt Ihnen das?

Ich versuche so zu spielen als würde ich singen. Natürlich fehlen bei mir die Texte der Lieder und ich kann nicht genau das dem Publikum vermitteln, was der Komponist mit seinen Worten ausdrücken wollte. Aber wenn ich diese Lieder auf meiner Trompete spiele, habe ich eine Geschichte im Kopf. Und ich bin mir ziemlich sicher, wenn ein Musiker etwas zu sagen hat, erreicht er damit sein Publikum, auch ohne Worte. Das ist dann nicht die gleiche Geschichte, die ich in meinem Kopf habe, soweit würde ich nie gehen. Aber die Zuhörer werden ihre eigene Geschichte erleben.

Sie haben im Alter von fünf Jahren mit dem Klavier begonnen, sind aber nach zwei Jahren zur Trompete gewechselt. Warum?

Meine Mutter spielte Trompete und das war der Grund, warum ich auch damit anfing. Und weil mir die Trompete so viel Spaß gemacht hat, habe ich mit dem Klavier aufgehört. Unter uns, heute bereue ich es manchmal ein wenig, dass ich das Klavierspielen aufgegeben habe, denn es wäre manchmal sehr praktisch, wenn ich da ein paar Fähigkeiten hätte.

Was macht ausgerechnet die Trompete für Sie so reizvoll?

Alles an diesem Instrument. Auf der Trompete fühle ich mich wie zu Hause. Es lassen sich so viele verschiedene Gefühle, Farben und Stimmungen ausdrücken. Die Trompete kann sehr laut sein, dieses typisch Fanfarenhafte. Dann aber ist sie wieder ganz unglaublich weich und lyrisch. Und man kann auf ihr die verschiedensten Stile spielen, nicht allein nur Klassisches. Ich liebe das.

Aber was prädestiniert die Trompete heute in der klassischen Musik als Soloinstrument und, ganz ehrlich, fühlen Sie sich da nicht doch gelegentlich als Exotin?

Für mich ist die Trompete ein Soloinstrument wie jedes andere. Wir sind alle Musiker, spielen aber nur auf unterschiedlichen Instrumenten. Das Wichtigste aber ist, dass wir diejenigen sind, die spielen, die etwas ausdrücken wollen und nicht die Instrumente im Vordergrund stehen. Ich bin froh, zu einer kleinen aber anerkannten Gruppe von Trompetensolisten zu zählen. Und ich fühle mich auch nicht als Exotin, obwohl es immer wieder vorkommt, dass Leute total fasziniert von dem sind, was ich mache, weil es eben nicht gewöhnlich ist. Aber das sind immer sehr positive Erfahrungen.

Im Barock waren Solokonzerte für Trompete sehr beliebt. Heute sind solche Konzerte die Seltenheit. Woran liegt das Ihrer Meinung?

Da möchte ich Ihnen widersprechen. Natürlich gibt es sehr viel Musik für die Trompete aus dem Barock, dann aus der klassischen, aber nichts aus der romantischen Zeit. Aber im 20. Jahrhundert und bis heute wurde sehr viel für die Trompete geschrieben. Da gibt es wunderbare Musik, vor allem aus Frankreich. Das Problem ist nur, diese Musik wurde von kaum bekannten Komponisten geschrieben.

Im Jazz hätten Sie viel mehr Möglichkeiten gehabt, auch was den Bekanntheitsgrad der Komponisten betrifft. Warum trotzdem Ihre Entscheidung für die Klassik?

Ich spiele wirklich viele verschiedene Stile, aber mein Fokus liegt einfach auf der Klassik. Für mich ist Musik dabei immer nur Musik, unabhängig von den unterschiedlichen Stilen. Ich spiele sie, wenn sie mir gefällt, ich mich damit wohl fühle. Klingt sie gut, mach ich es. Und was den Jazz betrifft, begleitet er mich schon seit meiner Kindheit. Aber ich bin nicht wirklich gut im Improvisieren.

Ihr Debütalbum trägt den Titel „Storyteller“ und versammelt Kompositionen von Rachmaninov und Dvorak, Strauss und Mahler. Sie haben sich hier ausschließlich für Transkriptionen entschieden. Warum?

Ich spiele schon lange solche Transkriptionen, vor allem auch in Konzerten und sie passen wunderbar zu meinem Instrument. Darum auch diese Idee für mein Debütalbum. Und ich hatte das Glück, dass mein Label mich da voll unterstützte und ich mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Eivind Aadland und dem Pianisten Havard Gimse einige der schönsten Orchesterwerke überhaupt einspielen konnte. „Storyteller“ als mein Debütalbum, das ist sehr persönlich und fühlt sich irgendwie auch richtig an.

Warum ist es eine der schwierigsten Herausforderungen, wie Sie im Booklet von „Storyteller“ schreiben, mit der Trompete eine einfache Melodie zu spielen?

Ob die eigene Stimme oder ein Instrument, die größte Herausforderung besteht immer darin, eine einfache Melodie so zu spielen, dass sie das Publikum auch berührt. Und wenn die Zuhörer dich spielen hören. Also wenn sie das Gefühl haben, ich bin diejenige, die ihnen etwas mitteilt und nicht einfach nur das Instrument klingt. Das ist wirklich eine große technische Herausforderung. Viel mehr als nur viele Noten schnell zu spielen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Tine Thing Helseth ist zusammen mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt unter der Leitung von Adrian Prabava am kommenden Samstag, 19.30 Uhr, im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11 zu erleben. Der Eintritt kostet zwischen 26 und 8 Euro. „Storyteller“ ist bei EMIClassics erschienen

Tine Thing Helseth, geboren 1987 in Oslo, ist eine norwegische klassische Trompeterin und Leiterin des Blechbläserinnen-Ensembles tenThing.

Sie begann im Alter von sieben Jahren Trompete zu spielen. Später studierte sie am Osloer Musikinstitut Barratt Due.

Als Solistin trat sie unter anderem mit den Wiener Symphonikern, dem Zürcher Kammerorchester, der Philharmonie Baden-Baden und dem Shanghai Symphony Orchestra auf.

Ihr Debütalbum trägt den Titel „Storyteller“ und versammelt Kompositionen von Rachmaninov und Dvorak, Strauss und Mahler.

2007 spielte sie bei der Nobelpreisgala zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo.

kip

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