
© Manfred Thomas
ZUR PERSON: „Ich habe bis zum Schluss gezweifelt“
Herbert Ullmann über verlegerisches Risiko, Hingabe zur Qualität und sein neues Buch „Ars Sacra“
Stand:
Herr Ullmann, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu „Ars Sacra“. Wer dieses Buch zum ersten Mal in die Hände nimmt, wünscht sich Leinenhandschuhe, weil es wie ein Kunstwerk anmutet. Aber mal ganz ehrlich, das Risiko, das Sie als Verleger bei einem solchem Projekt eingehen, grenzt doch fast schon an Fahrlässigkeit.
Ach, wissen Sie, jedes Buch, das wir hier machen, ist ein Risiko. Da ist unser Buch „Die Denker des Dschungels. Der Orangutan-Report“, in dem die Abschlachtung der Menschenaffen auf Borneo thematisiert wird. Das war ein wirkliches Risiko. Aber dieses Buch ist für mich auch das wichtigste.
Also in diesem Fall eine menschliche Entscheidung und nicht nach kalkulierenden verlegerischen Maßstäben?
Ja, eine menschliche Entscheidung. Diese Tiere sind genetisch zu 97 Prozent mit uns identisch. Und die werden abgeschlachtet, weil die Palmölindustrie auf dieser Insel Waldrodungen in der Größe von Holland betreibt. Und obwohl wir auch sehr drastische Bilder zeigen, hat sich das Buch mit 35000 Exemplaren sehr gut verkauft.
Was Sie sich mit Sicherheit auch für „Ars Sacra“ wünschen.
Das läuft schon jetzt sehr gut. „Ars Sacra“ ist erst seit wenigen Tagen auf dem Markt und fast schon vergriffen – und das für ein Gesamtkunstwerk von 150 Euro. Manche Buchhandlungen haben in den ersten zehn Tagen fünf bis zehn Exemplare verkauft. Da gibt es sogar schon Nachbestellungen. Derzeit ist es aber vergriffen und wir produzieren nach, können aber wieder zum 17. November ausreichend liefern.
Wie hoch ist die Auflage?
Die derzeitige Auflage liegt bei 11 000 Exemplaren in deutscher Sprache, wir produzieren derzeit nochmals 5000 Stück. Dann wird es auch noch in englischer, spanischer, portugiesischer, italienischer und französischer Sprachen erscheinen, also insgesamt dann etwa 30 000 Stück.
„Ars Sacra“ ist in Zeiten, wo viel von elektronischen Medien gesprochen wird, neben dem verlegerischen Wagnis doch mit Sicherheit auch ein deutliches Bekenntnis zum klassischen Buch?
Wenn wir viel in ein solches Buch investieren und die Themen in Ruhe aussuchen, habe ich keine Angst vor iPads und dem digitalen Zeitalter. „Ars Sacra“ können sie nicht über ein E-Book lesen.
Warum aber ausgerechnet ein Buch über die „Christliche Kunst und Architektur des Abendlandes von den Anfängen bis zur Gegenwart“, wie es im Untertitel heißt?
Die Idee stammte vom Herausgeber Rolf Toman und vom Fotografen Achim Bednorz, der sagte, dass er jetzt einfach losfährt und anfängt, Bilder zu machen. Ich habe erst den Vertrag gemacht, nachdem da schon zwei Jahre Arbeit drin steckten.
Warum erst nach zwei Jahren?
Ich hatte Angst. Wer würde denn 150 Euro für ein solches Buch ausgeben? Dann haben wir über fünf Jahre in die Entwicklung von „Ars Sacra“ gesteckt. So lange haben wir bisher an keinem anderen Buch gearbeitet.
Und wann haben Sie gespürt, dass dieses Buch etwas Besonderes wird?
Ich habe bis zum Schluss gezweifelt. Aber als ich dann die ersten Exemplare in der Hand hielt, war ich überzeugt. „Ars Sacra“ ist ein herausragendes Werk, ein Standardwerk, das wir auch noch in zehn Jahren verkaufen können. Da gibt es in der ganzen Welt nichts, das damit vergleichbar wäre.
Eine ziemlich mutige Behauptung.
Für uns gehört zu einem guten Handwerk auch, zu wissen, was die Konkurrenz macht. Und wir können deshalb sagen, dass „Ars Sacra“ das beste Buch zu diesem Thema ist, weil wir uns alle anderen angeschaut haben. Wenn wir in einem Vorbereitungsprozess merken, dass es zu einem bestimmten Thema schon genug Bücher gibt, müssen wir uns natürlich fragen, ob wir das verlegerische Risiko eingehen. Ich würde beispielsweise nie ein Buch über Potsdam machen.
Weil es schon genug gute Bücher über Potsdam gibt?
Ja, es gibt so schöne Bücher über diese Stadt. Ich bin zwar schon angesprochen worden. Aber das würde keinen Sinn machen. Unser Auftrag ist es, den Lesern etwas Neues anzubieten. Und das alles von einer hohen Qualität. Normalerweise müsste ein solches Buch wie „Ars Sacra“ 300 Euro kosten. Denn unser Buchkunstwerk wird schließlich einzeln von Hand gebunden, bis maximal 120 Stück am Tag.
Warum nicht maschinell?
Weil es weltweit keine Maschine gibt, die ein Buch von dieser Größe und diesem Umfang binden könnte. Wir produzieren in Shanghai. In Europa hätten wir das Dreifache an Kosten gehabt. Und die Qualitätskontrolle ist dort hervorragend. Jedes einzelne Buch wurde Seite für Seite durchgesehen. In einer Produktion haben wir beispielsweise 3000 Schutzumschläge wieder weggeworfen, weil die Mängel hatten.
Das wird doch mit Sicherheit entsprechend gekostet haben?
Ja, aber das ist dann unser Problem.
Und wie hoch waren insgesamt die Kosten?
Hoch siebenstellig und das bei einem Familienbetrieb.
Trotz der Produktion in China, wie ist ein solches Projekt finanzierbar?
Wir können ein solches Buch nur deshalb machen, weil wir international Auflagen verkaufen, diese sammeln und erst dann produzieren.
Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der Bilder in „Ars Sacra“?
Das ist natürlich eine repräsentative Auswahl. Aber 95 Prozent der Bilder in „Ars Sacra“ sind neu. Insgesamt hat Achim Bednorz 2000 Bilder gemacht, von denen 1000 in das Buch gekommen sind. Was wir nicht neu haben, ist der Vatikan und der Kreml, weil wir dazu keinen Zugang hatten. An manche Orte ist unser Fotograf sogar drei- bis viermal gefahren, weil wir mit seinen Bildern nicht zufrieden waren. Und der Achim hat da nicht protestiert, denn er hat erkannt, dass wir Recht hatten. Als er dann vor vier Wochen das Buch zum ersten Mal in der Hand hielt, kamen ihm die Tränen. Und der Mann ist 65 Jahre alt.
Die Texte in „Ars Sacra“ sind relativ kurz und trotzdem sehr gehaltvoll, was als eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale solcher Bücher bezeichnet werden kann und nur selten gelingt.
Es war natürlich eine große Herausforderung für unseren Programmleiter Lukas Lüdemann und den Herausgeber Rolf Toman, die Professoren, die die Beiträge für „Ars Sacra“ verfasst haben, dazu zu bringen, sich kurz zu fassen. Denen musste natürlich klar gemacht werden, dass wir nicht 40 Seiten zu einem bestimmten Thema brauchen, sondern nur zwei Doppelseiten, in denen sie auf den Punkt kommen müssen. Das kann zum Problem werden, glauben Sie mir. Bei „Ars Sacra“ war das ein Akt, der allein zwei Jahre gedauert hat. Wir machen schließlich keine Bildbände, sondern bebilderte Sachbücher mit hoher inhaltlicher Textqualität. Und in gewisser Hinsicht sind wir da auch sehr detailversessen.
Je länger man sich mit „Ars Sacra“ beschäftigt, umso bewusster wird einem, dass es nicht einfach nur ein Buch ist.
Ja? Was ist es denn sonst?
Das ist Buchkunst und durch die Größe und die Vielfalt und Qualität der Bilder, durch diesen Detailreichtum auch eine Herausforderung für den Leser.
Ja. Und auch ein Genuss. Dieses Buch bietet Verlässlichkeit. Wir haben an nichts gespart. Und es ist mit Sicherheit eine Geldanlage, denn den aktuellen Preis von 150 Euro können wir nicht immer beibehalten. „Ars Sacra“ wird irgendwann 250 bis 300 Euro kosten.
Warum dieser Schwerpunkt auf religiöse Themen in Ihrem Verlag?
Ich bin zwar Katholik, aber damit hat das nichts zu tun. „Ars Sacra“ ist kein Buch des Glaubens, sondern der Kunst. In einem Gespräch mit einem Tourismusexperten sagte man uns, die Kirchen in ganz Europa seien gut besucht: weniger von Betenden, als von Kunsttouristen. Heilige Plätze haben eine magische Aura. Mit „Ars Sacra“ haben wir es geschafft, dies einzufangen. Die Fotos und ihre atemberaubende Qualität, die Bildfolgen mit den großen Details vermitteln ein Gefühl der Präsenz der sakralen Räume und Objekte, die so in Büchern noch nie zu sehen war.
Und gibt es Themen, die für Sie als Verleger Tabu sind?
Ja, Krieg und Sex.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Herbert Ullmann, 55, ist alleiniger geschäftsführender Gesellschafter des Tandem Verlages h.f. ullmann und 7Hill.
Vor Gründung der Tandem Verlags GmbH im Jahr 1994 arbeitete Herbert Ullmann 16 Jahre in verschiedenen Verlagen als Angestellter in leitenden Positionen in den Bereichen Redaktion, Vertrieb und Werbung.
Die Tandem Verlags GmbH mit den Imprints h.f. ullmann und 7Hill, ist heute eines der noch wenigen konzernunabhängigen Familienunternehmen im Verlagsbereich, mit den Niederlassungen in Paris und Madrid. Im Februar dieses Jahres wurde der Sitz des Verlages vom Rheinland nach Potsdam verlegt.
Herbert Ullmann ist verheiratet und Vater zweier Töchter und eines Sohnes. kip
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