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Literatur aus Potsdam: „Ich konnte nicht abdriften“
Der Autor Sven Stricker erzählt im PNN-Interview von seinem sehr persönlichen Debütroman, sein gespaltenes Verhältnis zu Berlin und die neue Heimat Potsdam.
Stand:
Herr Stricker, in der Kriminalkomödie „Schlecht Aufgelegt“ treffen zwei sehr unterschiedliche Figuren aufeinander: Der etwas unbeholfene Kuli, der gerade aus Mülheim an der Ruhr nach Berlin gekommen ist, und der scheinbar abgebrühte Paul. Wer ähnelt Ihnen mehr?
Das hängt von der Tagesform ab. Es gibt einige Parallelen zu Kuli, aber auch zu Paul. Das Buch ist sowieso Patchwork: Etliche Figuren sind entweder ich selbst oder bestehen zumindest aus Teilen von mir.
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Zum Beispiel sind Sie wie Kuli in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen. Was hat Sie nach Potsdam verschlagen?
Ich bin vor fünf Jahren der Liebe wegen nach Berlin gegangen und habe dann ein Jahr lang in der Bergmannstraße gewohnt. Aber als meine Partnerin und ich eine Tochter bekommen haben, wollten wir etwas Ruhigeres. Da hat sich Potsdam angeboten. Ich habe es auch nie bereut, in Berlin habe ich mich nie sonderlich wohl gefühlt.
War es in Potsdam leichter, anzukommen?
Ja, mit kleinem Kind sowieso. Auf dem Spielplatz lernt man automatisch Menschen kennen, und man kann eigentlich nicht auf die Straße gehen, ohne jemanden zu treffen, den man kennt. Trotzdem kann man noch anonym genug bleiben.
Haben Sie auch schon – wie Kuli und Paul – in einem Call-Center gearbeitet?
Ja, als Student, vier Jahre lang.
Und? Sind die Menschen, die dort arbeiten, wirklich so schräg wie im Buch?
Natürlich nicht alle, im Buch ist das überspitzt dargestellt. Was aber der Realität entspricht, ist, dass zumindest damals keiner freiwillig ins Call-Center ging. Die Kollegen waren Landschaftsgärtner oder hatten mal eine Werbeagentur und mussten irgendwann dort anfangen, um sich oder ihre Familie zu ernähren. Sie waren die ganze Zeit damit beschäftigt, das zu rechtfertigen und zu behaupten, dass sie eigentlich was anderes sind.
Die Fragen stellte Katharina Wiechers
Das Buch
Sven Stricker (43) ist im nordfriesischen Tönning geboren und in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen.Seit 2001 ist er freiberuflicher Hörspielregisseur und vertonte zum Beispiel Sven Regeners „Herr Lehmann“. Der Roman „Schlecht Aufgelegt“ basiert auf Strickers erstem selbstgeschriebenen Hörspiel „Böses Ende“. Protagonisten dieser in Berlin angesiedelten Krimi-Tragödie sind Paul Uhlenbrock und Ulrich Kulhlenkampff (Kuli), die unterschiedlicher kaum sein könnten: Kuli ist ein herzensguter Naivling und Paul ein miesepetriger und scheinbar abgeklärter Pessimist. Dementsprechend schief läuft es anfangs zwischen den beiden, als sie Kollegen in einem Berliner Call Center werden. Doch durch einen mysteriösen Anruf werden sie unfreiwillige Zeugen eines Gewaltverbrechens und sie beschließen, der Sache nachzugehen. „Schlecht Aufgelegt“ ist im Rowohlt Verlag erschienen und kostet 13,99 Euro. (wik)
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