Kultur: „Ich steh an deiner Krippen hier“
Die Musik zur Christnacht in der Friedenskirche Sanssouci wurde von hunderten Menschen besucht
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Die Friedenskirche Sanssouci braucht keine Empfehlung, sie ist selber eine. Besonders zu den großen Feiertagen muss sie leere Plätze nicht fürchten. So auch zur Heiligen Nacht 2006, als wiederum Scharen von Menschen das Gestühl und die Emporen bevölkerten, um an der von Matthias Jacob geleiteten „Musik zur Christnacht“ teilzuhaben. Sein Vocalkreis und die Potsdamer Turmbläser formten den benoteten Teil in der gewohnten Qualität.
Klaus Büstrin setzte, neben der traditionellen Lesung aus dem Lukas-Evangelium, auch diesmal per Verbum besondere Akzente. Doch zuerst spielten das Bläserquartett von der Empore her „Kommet ihr Hirten“ mit zarten Trompeten sowie Horn und einer kräftigen Tuba, und der Chor sang „Machet die Tore weit“ in der Fassung des Barockkomponisten Andreas Hammerschmidt festlichen Tones. Aus derselben Zeit stammt auch Heinrich Schütz’ Motette „Tröstet mein Volk“, welche der recht erst wirkende Chor fast ohne Mühe bewältigte – die Botschaft des Evangeliums ist ja eine fröhliche.
Klaus Büstrin entschied sich diesmal zu einem „Experiment“: Er wollte Texte von Paul Gerhardt, sonst nur im Liede gehört, nach dem Gewicht seiner Worte vortragen, eine gute Idee. „Wie soll ich dich empfangen“ bezog seine Kraft aus einer lyrischen Lesart, die allerdings einmal auch einen recht scharfen Klang erhielt. Später hörte man von den Turmbläsern zuerst die Instrumentalfassung von „Ich steh an deiner Krippen hier“, danach das gesprochene Wort des Dichters, das war noch besser.
Musikalisch schlossen sich zwei Stücke späteren Datums an, die überwiegend einstimmig angelegte Choralpartita „Die Nacht ist vorgedrungen“ des Potsdamers Bernhard Opitz mit schön gedämpfter Tonart sowie Felix Mendelssohn Bartholdys Chorsatz „Es wird ein Stern aus Jacob aufgeh’n“, worin Gottes Macht erkennbar wird, denn einstmals wird er „Fürsten und Städte zertrümmern" – eine wichtige Botschaft, die genauso zum Fest der Geburt Christi gehört wie die besungene Freude aus „Stille Nacht“: Christ, der Retter ist da.
Vor der obligatorischen Lesung aus Lukas sprang die mehr thematisch als chronologisch geordnete Musik-Dramaturgie noch einmal um zweihundert Jahre zurück. Es erklang das prachtvolle „Regina coeli“ von Gregor Aichinger, während Ludovico da Viadana in dem opulenten a- capella-Werk „O magnum mysterium“ an das große Geheimnis des „Neugeborenen“ erinnerte. Benjamin Brittens „The Sycamore Tree“ und Carl Thiels „In dulci jubilo“ schlugen den Bogen ins 20. Jahrhundert, während danach europäische Weihnachtslieder wie „Als die Welt verloren, Christus ward geboren“ und das wunderbare „Adeste fidelis“ aus Großbritannien erklangen. Nach der letzten Lesung, diesmal von Johann Rist mit „Brich an, du schönes Morgenlicht“ dann „Stille Nacht“ in der leicht modernisierten Fassung des Berliner Komponisten Helge Jung.
Dies hätte ein passgerechtes und stimmiges Finale sein können, doch auch diesmal wollte man auf ein Ende mit Bach nicht verzichten. So stand „O Jesulein zart“, auch dies sehr schön durch den Vocalkreis interpretiert, etwas unschuldig-hilflos im mitternächtlichen Kirchenraum, als die Glocken das Ende der Andacht verkündeten, die Nacht der Geburt des Retters der Welt.Gerold Paul
Gerold Paul
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