Kultur: „Ick bin een Boom“
Der Niederländer Piet Warffemius stellt im Kunsthaus Potsdam aus
Stand:
Vor der Ausstellung schon konnte man im Internet das „work in progress“ mit ansehen: Piet Warffemius bemalte die gegenüber dem Eingang liegende große Wand des Kunsthauses mit Baumstrukturen, Baumstämmen, Ästen und manchmal auch einem Astloch. Warffemius reiht sich aber nicht in die Tradition der Romantiker ein, die wie Caspar David Friedrich den Baum als Symbol für die Seele des Menschen benutzten. Vielmehr scheint er sich zu bemühen, den Baum-Stamm so reduktionistisch einzusetzen, dass er von jeglicher Bedeutung befreit wird. Weg mit all dem kulturellen Gepäck, etwa dem „Baum des Lebens“ oder dem „Baum der Erkenntnis“ oder dem Baum, der Einsamkeit symbolisiert in der weiten, dunklen Landschaft. Oder dem, der seine Früchte den Menschen entgegenstreckt, die er dann als gute oder schlechte schmecken kann. All das verweigert der Künstler.
Zwar behauptet Piet Warffemius in seinem Ausstellungstitel frech: „Ik bin een Boom“, also „Ich bin ein Baum“, aber die, die ihn im Kunsthaus gesehen haben, konnten in ihm einen Mann erkennen, der gar nicht aussieht wie ein Baum. Künstler lieben das Spiel, und der 1956 geborene Warffemius spielt offensichtlich gern ironisch mit dem hoch symbolisierten Gewächs, das eine Verbindung zwischen Himmel und Erde schafft. Seine Bäume sind reduziert, verfremdet, sie erinnern in ihrer äußeren Form zwar noch an das Gehölz, aber ihre Struktur hat sich ziemlich verändert. Das große Wandbild wird durch dünne Stämme längs und noch dünnere Äste quer unterteilt, als handele es sich um eine geometrische Rasterung der Fläche. Dazwischen sind kreisrund und rot geränderte Punkte, die das Horizontal-Vertikale seiner Arbeit unterstreichen und da hängen, als wären sie reife Äpfel oder eine verbotene Frucht. Dieses Großbild schafft einen harmonischen Hintergrund für die Baumfiguren, die im Raum stehen. Da gibt es den sanft gefütterten, weißgrauen „weichen Baum“, dessen wenige hervorstehenden Äste am Ende wunderbar wattig rund wirken und aus einem kegelförmigen Stamm gerade herausragen, als habe man es mit Babyärmchen zu tun. Der „Baum für Potsdam“ dagegen wirft seine drei Arme schräg nach oben, als müsse ihm der Himmel zu Hilfe kommen; golden ist die Keramik bemalt, kalt wirkt das, ein bisschen arrogant vielleicht und seltsam stolz-hilflos.
Piet Warffemius ist viel gereist. Er war in Kenia und anderen afrikanischen Ländern, in Asien und Lateinamerika. Die durchscheinende asiatische Ästhetik zeigt sich bei einigen seiner Bilder als filigraner Radiographie, die einen Einblick in das Innenleben des Baumes gewähren und ätherisch wirken wie japanische Zen-Zeichnungen. Manche seiner Baumcharaktere erinnern auch an einsame Leuchttürme, die stolz ihre Arbeit verrichten. Andere Gemälde und vor allem die Skulpturen wirken dagegen hart und undurchdringlich, sie geben nichts von ihrem Inneren preis und sind fast stachelig dem Betrachter zugewandt. So gelingt es dem international beachteten Künstler, anhand eines einzigen Sujets, zu dem er sich gleich selbst erklärt, den Betrachter ins Nachdenken zu bringen. Nicht nur über das nahe liegende Verhältnis des Menschen zur Natur und zu den Jahreszeiten – selbstverständlich offeriert er Arbeiten mit Titeln wie „Frühling im Himalaya“ oder „Langes Warten auf den Frühling“ –, sondern auch über bestimmte Haltungen wie Abwehr, Undurchdringlichkeit und ihr jeweiliges Gegenteil. Das Ganze wirkt nur auf den ersten Blick ironisch und erhält nach und nach eine innige Ernsthaftigkeit, die sich im Kunsthaus gut entfaltet. Wem das nicht genügt, der kann im Neuen Garten die gewaltigen Rotbuchen bestaunen, die gerade in schönster Pracht ihr Laubwerk farbreich nuanciert präsentieren. Man wird sie mit einem veränderten Blick sehen.
KunstHaus, Ulanenweg 9, Piet Warffemius: „Ich bin ein Baum“, bis 18. Juni
Lore Bardens
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: