
© Stefan Gloede
Von Almut Andreae: Im abendlichen Blumenmeer
Jazz und Lampions rund um die Orangerie im Neuen Garten
Stand:
Gedämpftes Geschirrklappern und Gläserklingen an weißgedeckten Tischen zwischen Oleander und Palmenkübeln. Erster feiner Bratwurstduft mischt sich unter die in der Abendsonne speisenden Gäste rund um das bunte Blumenbeet vor der Orangerie. Im ägyptischen Portal stimmt sich, der Sphinx zu Füßen, das Berliner Jaspar Libuda Trio an Gitarre, Schlagzeug und Kontrabass ein. Die Kinder sind eingeladen, sich ihre Lampions für den Umzug mit Musik am Ende des Abends selbst zu gestalten.
Speziell für die jüngeren Gartenliebhaber hält sich Afra Riemer mit einem geführten Spaziergang zu „alten Bäumen und knorrigen Gehölzen“ bereit. Die Erwachsenen begeben sich unter die Fittiche von Sven Kerschek, Fachbereichsleiter im Neuen Garten. Bei seiner Führung „Der Weg eines Gartens durch die Jahrhunderte“ ist zu erfahren, dass die schnurstracks auf das Marmorpalais hinführende Allee mit Pyramideneichen – ursprünglich Pyramidenpappeln – das Urbild aller späteren Alleen in Preußen war. König Friedrich Wilhelm II. hatte kurz vor ihrer Entstehung 1786 jenes Areal erworben, wo bald darauf Orangerie, Marmorpalais und der Neue Garten entstanden. Kerschek lässt vor seinen aufmerksamen Zuhörern im Schnelldurchlauf die wechselvolle Geschichte der Parkplanung Revue passieren. Mitgebrachte Gartenpläne veranschaulichen die rasch aufeinander folgenden Planungsetappen zwischen Barockparterre und Landschaftsgarten.
Galionsfigur auf dem Gebiet des Landschaftsgartens im englischen Stil war seit dem Wörlitzer Park der dessauische Hofgärtner Johann Friedrich Eyserbeck. Nach Potsdam gerufen, realisierte er mit dem Neuen Garten den ersten Landschaftsgarten in Preußen. Über Peter Joseph Lenné und das Mitte des 19. Jahrhunderts angelegte „Gärtnerische Skizzenbuch“, in dem die damalige Bepflanzung präzise verzeichnet ist, machen die fachkundigen Erläuterungen auch vor der Gegenwart nicht halt. Auch der beste Boden ist mal „pelargonienmüde“, und so pflanzt man ihm zuliebe zwischendurch alternativ auch mal andere Blüher zwischen die Rosen.
Dass sämtliche Pflanzen im 127 Hektar großen Neuen Garten vor Ort selbst angezogen werden, ist eine Besonderheit, auf die Gartenmeisterin Sabine Swintek ein wenig später in ihrer Führung hinweisen wird. Im Blumengarten unternimmt sie unter dem Motto „Metamorphosen im Blumengarten“ eine Zeitreise in die Anfangsjahre des Parkbereichs rund um die Orangerie. In den in allen Farben leuchtenden Blumenrabatten hat man neuerdings auch Mangold als farblich neutralen Puffer eingesetzt. Die Bepflanzung für das kommende Jahr hatte Swintek gerade „auf dem Tisch“. Das Konzept der Rabatten wird von Jahr zu Jahr neu entworfen und realisiert. Der historische Blumenbestand wird laut Kerschek und Swintek aktuell aufgearbeitet und zum Teil durch Suchschachtung recherchiert.
Immer wieder Kompromisse zu schließen gegenüber der Ausgangssituation Ende des 18. Jahrhunderts gehört rund 200 Jahre später angesichts der heute vergleichsweise geringeren personellen und finanziellen Kapazitäten zum Tagesgeschäft. Die Vielzahl der bei den Führungen kompakt vermittelten Realitäten mischt sich mit den herüberwehenden munteren Jazzklängen zuweilen zu einer schwer aufzunehmenden akustischen Melange.
Uneingeschränkt beschaulich, ja meditativ, geht es zwischendurch bei den Elfengesängen der Jazzsängerin Andra Barz zu. Im Pavillon des Blumengartens intoniert das zarte Geschöpf im rot flatternden Gewand mit glockenreiner geschmeidiger Stimme ihre betörenden Soloimprovisationen im Schwebezustand zwischen Jazz und Litanei: Eine Einladung im abendlichen Blumenmeer, für ein paar Augenblicke die Zeit zu vergessen, dem Gesang der Vögel zu lauschen und dem leisen Plätschern am Brunnenrand.
„Kommt“, ruft es da im Garten, „wir machen uns jetzt auf die Socken!“ Und schon ist Afra Riemer mit den Kindern um die Ecke verschwunden: Um Rosen zu riechen und sich gemeinsam daran zu erinnern, dass der Baum mit den Bommeln dran eine Platane ist. Ein Stück Baumrinde, gefunden am Wegesrand, darf mit nach Hause: zur Erinnerung an einen erlebnisreichen Abend im Neuen Garten.
Almut Andreae
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