Kultur: Im Bann des Rhythmus’
Mit seiner 7. Sinfonie begeisterte Beethoven das Publikum, irritierte aber seine Kollegen
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„Alle neun Sinfonien an vier Tagen“ heißt es im Februar bei der Kammerakademie Potsdam. Ein Konzertmarathon mit den Sinfonien von Ludwig van Beethoven, wie ihn das Orchester noch nie bestritten hat. Die PNN stimmen in den kommenden Tagen mit regelmäßigen Beiträgen auf dieses Konzerterlebnis ein. Heute geht es um Beethovens 7. Sinfonie.
Über fehlenden Publikumszuspruch konnte sich Beethoven nicht beklagen. Als er am 8. Dezember 1813 die Uraufführung der 7. Sinfonie im großen Redoutensaal der Wiener Universität dirigierte, waren die Gäste so begeistert, dass der zweite Satz wiederholt werden musste. Doch finanziell, Beethoven ließ das Konzert am 12. Dezember noch einmal wiederholen, waren die Konzerte eine Pleite. Beethoven hatte für die Konzerte allein 36 Geigen, 14 Bratschen, 12 Celli und sieben Kontrabässe spielen lassen. Mit dabei waren Musiker wie der Geiger Ignaz Anton Schuppanzigh und der Oberkapellmeister Antonio Salieri. Hinzu kam seine zunehmende Taubheit, die bei der Premiere zu manch unfreiwilliger Komik führte. Spielte das Orchester leise, konnte Beethoven das nicht mehr hören und verließ sich hier beim Dirigieren auf seine Noten. Einmal muss er dabei eine Wiederholung im pianissimo in der Partitur übersehen haben. „Er war daher, ohne es zu wissen, dem Orchester bereits zehn bis zwölf Takte vorausgeeilt, als dieses nun auch, und zwar pianissimo begann. Beethoven, um dieses nach seiner Weise anzudeuten, hatte sich ganz unter dem Pulte verkrochen. Bei dem nun folgenden crescendo wurde er wieder sichtbar, hob sich immer mehr und sprang hoch in die Höhe, als der Moment eintrat, wo, seiner Rechnung nach, das forte beginnen musste. Da dieses ausblieb, sah er sich erschrocken um, starrte das Orchester verwundert an, dass es noch immer pianissimo spielte, und fand sich erst wieder zurecht, als das längst erwartete forte endlich eintrat und ihm hörbar wurde“, schrieb der Geiger Louis Spohr in seiner Autobiografie von 1860, der bei der Premiere selbst im Orchester spielte.
Doch trotz solcher Irritationen, mit seiner neuen Sinfonie wusste Beethoven Eindruck zu machen. Denn er hatte hier drei Sätze voller Energie geschaffen, deren treibende Kraft der Rhythmus ist. Somit war er vier Jahre nach seinen Arbeiten an der 5. und 6. Sinfonie in seinem Bestreben, das Vokabular, die Möglichkeiten des Sinfonischen immer weiter auszureizen und entsprechend auf eine neue Stufe zu heben, weiter vorangeschritten. Nachdem Beethoven also melodisch, harmonisch und tonal das Potenzial ausgereizt hatte, wandte er sich nun in der ihm eigenen Meisterschaft dem Rhythmus als prägendem Stilelement zu. Das war neu, das begeisterte, irritierte aber auch. So soll Carl Maria von Weber nach einem Konzert mit der 7. erklärt habe, er sei jetzt „reif fürs Irrenhaus“. Und der Musiker Friedrich Wieck, Vater von Clara Schumann, war der Meinung, dass die 7. Sinfonie „nur im unglücklichen – im trunkenen Zustande komponiert sein könnte, namentlich der erste und letzte Satz“.
Von Freude und Tanz oder Marsch in den Krieg, von heroischem Gestus, Leidensstimmung und Rätselhaftigkeit, Erhabenheit, Größe und eruptiver Kraft ist die Rede, wenn die 7. Sinfonie beschrieben wurde. Der Bezug zum Krieg kam durch Beethovens Komposition „Wellingtons Sieg“, in der er die Kriege und Schlachten gegen Napoleon verarbeitete und die zusammen mit der 7. Sinfonie aufgeführt wurde. Doch dadurch dieses kraftvolle Werk gleich mit dem Stempel „politische Musik“ zu versehen? Das greift bei Beethoven einfach zu kurz.
„Seine Musik hat einen anderen Habitus. Für mich ist Beethoven die Subjektivierung der Musik. Auch von der Epoche her tritt der Künstler in den Mittelpunkt und nicht die höfische Musik. Beethoven gibt dem musikalischen Gedanken als solchen eine Kraft und Expressivität, die das ganze romantische Zeitalter bestimmt“, sagt Christoph Starke, Bratscher der Kammerakademie Potsdam. Wie schon in seiner 5. hat Beethoven hier wieder den Menschen als Individuum und im Kollektiv in den Mittelpunkt gestellt. Das Verbindende, Zusammenführende, in dem sich der Menschen in der Gruppe aber auch einzeln entfalten kann, ist hier der Tanz, der Rhythmus.
Auch wenn das doch recht Eigenwillige, die eruptiven Ausbrüche in dieser Sinfonie bei Beethovens Kollegen nicht immer auf Zustimmung gestoßen sind, für viele war die 7. die „melodiereichste, gefälligste und fasslichste“ unter seinen Sinfonien, die sowohl den Kenner als auch den Nichtkenner entzücken konnte. Und selbst Beethoven war zufrieden. So bezeichnete er sie in einem Brief an Nikolaus Zmeskall von Domanovecz „als eins der glücklichsten Produkte meiner schwachen Kräfte“.
Die Kammerakademie Potsdam unter der Leitung von Antonello Manacorda spielt vom 13. bis 16. Februar alle neun Sinfonien von Beethoven im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Weitere Informationen und Karten unter www.kammerakademie-potsdam.de
Dirk Becker
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