Von Gabriele Zellmann: Im Bann zweier Schicksale
Aktuelles Filmgespräch im Filmmuseum
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Magda, eine schöne Frau, kommt aus einem Dorf in Südpolen. Sie arbeitet – schwarz – in Berlin, betreut eine demenzkranke Frau. Philipp ist ein 15-jähriger Junge irgendwo in Deutschland, dessen kumpelhafter Vater Bernd ihm jeden Raum für die eigene Entwicklung nimmt. Magda und Philipp sind die Helden zweier gleichnamiger mittellanger Spielfilme, mit denen Irma-Kinga Stelmach und Fabian Möhrke in diesem Jahr an der Babelsberger Filmhochschule ihr Regiestudium abgeschlossen haben. Dieser Tage waren sie im Filmmuseum in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ zu sehen.
Wie eine dokumentare Beobachtung ist „Magda“ von Irma-Kinga Stelmach inszeniert. Der Film erzählt die Geschichte einer polnischen Arbeitsemigrantin, die über die Jahre zur Wanderin zwischen zwei Leben geworden ist. Zwischen einem wohlgeordneten Familienleben mit Mann und Tochter, dass es nur noch während ihrer Besuche daheim gibt. Und einem in Berlin, zu dem auch Zerstreuungen mit Freunden und ein Geliebter gehören. Dass und wie Magda von Berlin aus Kontakt zu Tochter und Mann mittels Webcam zu erhalten versucht, lässt die Fremdheit gegenüber dem Zuhause deutlich hervortreten.
Von Moderatorin Jeannette Eggert nach „Schlüsselreizen“ für die Stoffentwicklung befragt, antwortete Irma-Kinga Stelmach, der Film sei eng mit ihrer Biographie verknüpft. Die Regisseurin war als Kind in den 80ern mit ihren Eltern aus Polen nach Deutschland emigriert. Die Frage, was Menschen in der Fremde suchen, wurde für sie ausschlaggebend. Und auch das Thema Demenz beschäftigte sie seit langem: In ihrem ersten Dokumentarfilm ging es bereits um die Beziehung zwischen einer demenzkranken Mutter und ihrer Tochter.
„Philipp“ von Fabian Möhrke schildert die Geschichte eines pubertierenden Jungen, dessen Vater Bernd ihm bester Kumpel statt liebevoll begleitender Vater sein will. So entsteht zwischen dem alles verstehenden, alles verzeihenden Bernd und seinem Sohn eine Konkurrenz, in der Philipp stets unterliegt. Der Film erzählt, manchmal sehr komisch, von Philipps wachsender Hilflosigkeit. Am Ende weiß Philipp dieser nur zu entkommen, indem er sich unter den Zug wirft.
Auch in Fabian Möhrkes Filmgeschichte sind biographische Details eingeflossen. Der Selbstmord einer engen Freundin etwa. Und die Beobachtung von Eltern, die versuchen, die besten Freunde ihrer Kinder zu sein, die er – selbst ein junger Vater – auf dem Spielplatz machte. Wohin eine solche Haltung eigentlich führt, dieser Frage geht er mit seinem Film nach.
Ursprünglich wollten Fabian Möhrke und Irma-Kinga Stelmach beide die Rollen in ihren Low-Budget-Produktionen, die auch immer auf der Selbstausbeutung der Beteiligten beruhen, mit Laien besetzen. Doch Fabian Möhrke machte die Erfahrung, das junge Laien auf die Frage, ob sie im Film mitspielen wollen, erstmal „Ja, cool!“ sagen, dann aber nicht zu den Probeaufnahmen kommen, weil sie Angst haben. Seine herausragenden Darsteller (Max Hegewald als Philipp und Hans-Jochen Wagner als Vater Bernd) fand er dann über den üblichen Weg bei Agenturen. Und Irma-Kinga Stelmach suchte unter Laien und Schauspieler und entdeckte dabei mit Schauspielerin Magdalena Morgan „ihre“ perfekte Magda und DEFA-Urgestein Doris Abeßer eine kraftvolle Besetzung für die demenzkranke Christa.
Beide Filme nahmen in diesem Jahr am „First Steps“, dem Wettbewerb um die besten Abschlussfilme deutschsprachiger Filmschulen, teil. Fabian Möhrke gewann für „Philipp“ den First Steps Award in der Kategorie Spielfilm bis 60 Minuten.
Gabriele Zellmann
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