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Kultur: Im Durchlauf

Schauspielstudenten sangen in der Reithalle

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Steht denn im Moment alles im Zeichen der Talentshows? Sitzen irgendwo im Publikum die Scouts, die mit kritischem Auge und Ohr den Künstlernachwuchs sichten? Fragen, die sich dem Zuhörer am Sonntagabend förmlich aufdrängen mussten. Studenten des 3. Studienjahres Schauspiel der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ hatten zu einem Abend voller Liedgut zur Lage der Zeit, übertitelt mit „...denn wovon lebt der Mensch“, nach der gleichnamigen Ballade aus Brechts „Dreigroschenoper“, in die Reithalle eingeladen.

Neun junge Frauen und Männer in Schwarz und Weiß, auf der Bühne angeordnet in einem Halbkreis aus Stühlen, die mehr oder weniger nervös vor allem die Facetten ihrer Stimmen unter Beweis stellten und in schnellem Durchlauf insgesamt 30 Lieder von Brecht, Kreisler oder Rio Reiser präsentierten. Die immer wieder Zeitungsnotizen oder kurze Zitate lasen, um das Thema des nächsten Liedes anzudeuten. Die, wenn auch sehr sparsam, mit Mimik und Gestik, ein wenig Körpereinsatz oder Instrument (Saxophon, Klarinette, Gitarre) andeuteten, was auf den Bühnen der Welt zukünftig von ihnen erwartet werden darf. Was ihnen noch fehlt ist etwas Durchsetzungsvermögen. Sonst hätten sie vom künstlerischen Leiter Michael Schenk, der, zusammen mit seinem Sohn Adrian Schenk, das Programm an Klavier und Keyboard begleitete, sicher ein weniger rasantes, dafür aber nachhaltigeres Programm eingefordert.

So verpufften die Lieder und Balladen, die mal böse, mal sarkastisch, mal leise und mal laut Befindlichkeiten wie soziale Ungerechtigkeit, Finanzkrise, Kriege und andere gesellschaftliche Unzulänglichkeiten ansprachen, beinahe in der Luft oder wirkten in ihrer Geballtheit ausgesprochen moralisch. Oder zu brav. Dota Kehrs „Erschlossenes Land“, ein toller Song mit ordentlich Tempo und durch Nicole Gerdons Stimme auch ein echter Hinhörer, aber doch nicht mit wiegender Hüfte! Oder „Dans ma rue“, eine melancholische Ballade, in viel zu steifem, viel zu stark artikuliertem Französisch. Gut, dass Sofie Miller die „Seeräuber-Jenny“ viel besser gelang, sowohl weiblich als auch raubeinig. Und die Jungs? Waren sehr auf ihr Lächeln fixiert und machten den Eindruck, als wollten sie gefallen. Von irgendwas muss der Mensch ja zukünftig leben. Nur Alexander Finkenwirth stach heraus, kraftvolle Stimme, markante Erscheinung, verschmitzt und entspannt. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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