Kultur: „Im Grunde mache ich Erwachsenenbildung“
Über Physik lachen und dabei sogar lernen – Vince Ebert macht es am Sonntag in Potsdam möglich
Stand:
Herr Ebert, Sie behaupten ernsthaft, Physik ist sexy?
Natürlich, denn Wissen generell ist sexy. Wenn ich nach meiner Show am Merchandising-Stand stehe, sind es oft die Damen, die wissen wollen, wie groß das Universum ist und was man unter Reibungskräften versteht. Das ist ein Grundbedürfnis, sowohl von Frauen als auch Männern, ein wenig hinter die Dinge zu schauen.
Der Titel Ihrer Diplomarbeit lautet „Infrarot- und Raman-spektroskopische Untersuchungen von ferroelektrischen Phasenübergängen an Betain-Mischkristallen“. Auch wenn Sie jetzt lachen, aber das klingt doch nicht wirklich sexy?
Da gebe ich Ihnen recht. Aber das war auch der Grund, warum ich nicht in die Forschung gegangen bin. Denn da verbringt man oft bei gedimmten Laserlicht zahlreiche Nächte im Labor und diskutiert dann über die Ergebnisse mit vielleicht weltweit 30 Leuten, die sich damit auskennen.
Aber warum sind Sie ausgerechnet in das Comedian-Fach gewechselt?
Im Grunde mache ich ja Erwachsenenbildung. Vorher war ich in einer Unternehmensberatung tätig. Dort habe ich aber nur vor dem Computer gesessen und Marktanalysen programmiert. Nach drei Jahren habe ich Knall auf Fall gekündigt und nach neuen Möglichkeiten gesucht. Eher durch eine Schnapsidee bin ich dann auf die Bühne gekommen und habe relativ schnell gemerkt, dass mir das Spaß macht.
In Ihrem aktuellen Programm und dem dazugehörigen Buch erklären Sie, „Denken lohnt sich“. Dass wir in dieser Hinsicht Nachhilfe nötig haben, ist bekannt. Aber warum sollten wir uns ausgerechnet mit der Heisenbergschen Unschärferelation oder Quantensprünge beschäftigen?
Den Leuten ist oft nicht klar, wie wichtig wissenschaftliches Denken ist. Dieses Denken ist ja nichts anderes als eine Methode zur Überprüfung von Vermutungen. Wenn ich vermute, im Kühlschrank ist Bier und ich schaue nach, dann ist das schon Wissenschaft. Zumindest eine Vorform. Dieses Beispiel illustriert sehr schön 2500 Jahre Erkenntnistheorie. Neben dem wissenschaftlichen Aspekt hat mein Programm auch einen aufklärerischen Charakter. Glaubt nicht alles, was man euch erzählt! Man kann nur tiefe Wahrheiten von tiefem Blödsinn unterscheiden, wenn man sich die Mühe macht, zu überprüfen.
Diese Mühe ist bei Politikern oft genug angebracht. In deren Sprachgebrauch hat es die Physik ja längst geschafft, so oft wie die von Quantensprüngen reden.
Ja, das ist immer wieder ein schöner Gag, wenn ich den Leuten erzähle, dass ein Quantensprung die kleinstmögliche Zustandsänderung ist, meist von einem hohen auf ein niedriges Niveau. Wenn also ein Politiker von einem Quantensprung in der Arbeitsmarktpolitik spricht, dann wissen die jetzt, was wirklich gemeint ist.
Sie tragen den Titel „Der lustigste Physiker Deutschlands“. Werden Sie da überhaupt noch von Ihren Fachkollegen ernst genommen?
Ich hatte anfangs die große Befürchtung, die würden sich veräppelt fühlen. Aber es ist genau das Gegenteil passiert. Es kommen viele Wissenschaftler in mein Programm, weil sie spüren, dass ich dieses Fach sehr ernst nehme und versuche, es den Leuten näher zu bringen. Ich sehe mich da schon als eine Art Mittler zwischen dem naturwissenschaftlichen Laien und dem Fachpublikum.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Vince Ebert ist am Sonntag, 15. Februar, um 20 Uhr, in der Waschhaus Arena zu erleben. Der Eintritt kostet 23 Euro
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